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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Baehr
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Kollege, ich würde gern erst einmal Näheres über diese Explosion erfahren. Anschließend sollten wir gemeinsam den Fundort aufsuchen, sofern es hierfür noch hell genug ist. Immerhin haben wir schon halb fünf.«
    »Herr Ingenieur Serini und Herr Kettenring als Leiter des Lagers können diese Ereignisse sicher besser schildern als ich«, meinte Sehnert und übergab Serini das Wort. Während Moser an seiner Blechtasse mit heißem Tee nippte, erklärte Serini in knappen Worten, was es mit dem Explosionsunglück auf sich hatte.

Die Explosion
     
     
    »Die Explosion vor knapp zwei Wochen, am 31. Januar, um genau zu sein, hat eine Vorgeschichte«, erläuterte Serini. »Es handelt sich weder um ein Attentat auf die Eisenbahn – wie viele vermuten – noch um Mord an den Arbeitern. Es war einfach ein Unfall. Ich selber war schon beim Bahnbau 1873/75 Sektionsleiter für diesen Abschnitt, den ich persönlich geplant habe. Damals hatte ich mein Büro im noch nicht fertiggestellten Empfangsgebäude des Pirmasenser Bahnhofs und war täglich auf der Baustelle. Deshalb kenne ich diese Strecke wie meine Westentasche. Seinerzeit haben wir sämtliche Kunstbauten der Bahnlinie, also Brücken, Tunnel, Dämme und Stützmauern, bereits für zwei Gleise errichtet und auch den Unterbau zweigleisig angelegt. Dieses zweite Gleis wird nun endlich gebaut. Besonders die Dämme, die Sie auf der Fahrt hierher gesehen haben, aber vor allem auch der fast neunhundert Meter lange Tunnel, der größte und aufwendigste an der gesamten Bahnlinie von Landau nach Zweibrücken, bereiteten uns bei der Planung und beim Bau große Probleme. Damals konnten wir den Fels nur unter Einsatz von großen Mengen Dynamit abtragen, wobei nie etwas passiert ist. Wir hatten zwar Unfälle auf diesem Abschnitt, auch mit tödlichem Ausgang; diese hingen jedoch nicht mit den Sprengungen zusammen. Und nun das … Meine Familie kam vor einigen Generationen aus Norditalien über die Alpen. Die Italiener sind ja als Mineure bekannt. Auch meine Vorfahren waren Sprengmeister. Außerdem habe ich auf der Baugewerbeschule eine besondere Ausbildung im Umgang mit Sprengstoff erhalten. Und jetzt passiert so etwas gerade mir.
    Vor zwei Wochen kamen die Arbeiten am zweiten Gleis zwischen den Bahnhöfen Kaltenbach und Münchweiler endlich in Gang. Habe Herrn Kettenring über unsere Erfahrungen mit dem Sandsteinfels auf diesem Abschnitt informiert. Eigentlich wurde die Trasse für das zweite Gleis, wie gesagt, bereits 1875 fertiggestellt. Durch einen Felssturz im Einschnitt wenige Meter vor dem Ostportal des Tunnels war der Unterbau jedoch teilweise verschüttet. Bei den Planierungen müssen die eine damals nicht explodierte Sprengladung erwischt haben. Dachten, dass alle unsere Dynamitstangen seinerzeit ›hochgegangen‹ waren. Eine davon zündete aber offenbar nicht, wie wir jetzt wissen. Stellen Sie sich vor: Unmittelbar daneben fuhren über zwölf Jahre Züge. Nicht auszudenken, wenn ein Munitionszug nach Zweibrücken oder Landau explodiert wäre. Ich mache mir große Vorwürfe, auch wenn unser Direktor und der Hauptaktionär der Gesellschaft mich persönlich von aller Schuld freisprechen. War ja selber bei der Explosion nicht dabei, sondern wurde erst am Tag danach zur Untersuchung hierher beordert. Übrigens will die Eisenbahngesellschaft in der Nähe des Unglücksortes oberhalb des Grabeneinschnitts einen Gedenkstein mit den Namen der Opfer aufstellen lassen. Vielleicht kann Herr Kettenring mehr über den Ablauf des Unglücks erzählen. Er war schließlich praktisch Augenzeuge«, schloss Serini seine Ausführungen.
    Kettenring, ein früherer Vorarbeiter, der es nun mit etwa fünfzig Jahren zum Bauleiter gebracht hatte, schilderte seine Beobachtungen. »An diesem Tag hatte der Schnee endlich nachgelassen und Tauwetter eingesetzt. Wir kamen mit der Planierung der Trasse für das neue Gleis schnell voran. Durch den harten Winter waren wir in Zeitverzug, weshalb ich die Männer im Akkord arbeiten ließ. Kurz vor dem Schichtwechsel zur Mittagszeit passierte es. Der Schnellzug nach München war gerade durch und der Trupp hatte die Arbeit wieder aufgenommen, nachdem das Gleis gesperrt war, als es plötzlich einen so fürchterlichen Knall gab, dass meine Baracke wankte, wo ich gerade mit den Lohnabrechnungen beschäftigt war. Ich stürzte sofort hinaus und sah eine große Staubwolke über dem Einschnitt vor dem Tunnel. Überall lagen Felsbrocken verstreut, die Schienen des befahrbaren

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