Moskauer Diva
Schauspieler.
»Davon hängt der Erfolg des Stücks und das Schicksal eines neuen Dramatikers ab«, sagte Stern gewichtig. »Sie möchten doch Ihrem Adoptivvater helfen, nicht?«
»Seh gehn.«
Der Japaner sah Fandorin an, der mit versteinerter Miene dastand, als sei ihm das alles höchst unangenehm.
Michail Erastowitsch sagte etwas ziemlich Langes in einem seltsam klingenden Idiom zu Fandorin senior.
»
Sore wa tashikani soo da kedo
«, erwiderte dieser, widerstrebend einwilligend, wie es Elisa schien.
»Ich bin eineverestanden.« Der Japaner verbeugte sich erst vor Stern, dann vor den anderen.
Das quittierte die Truppe mit Beifall und freudigen Ausrufen.
»Für das Bühnenbild werde ich gleich heute Sudejkin oder Bakst engagieren, je nachdem, wer frei ist«, wechselte Noah Nojewitsch in einen sachlichen Ton. »Die Kostüme sind kein Problem. Einiges haben wir noch von der ›Mikado‹-Inszenierung, einiges gibt esauch im hiesigen Fundus, unsere Vorgänger haben Johnsons ›Geisha‹ aufgeführt. Den Rest nähen wir selbst. Requisiten bekommen wir von der ›Gesellschaft für Theater und Kinematographie‹. Die Bühne wird umgebaut. Dewjatkin! Den Text zum Abschreiben, jede Rolle kriegt ihre Mappe, wie immer. Strengste Geheimhaltung! Bis zur offiziellen Ankündigung darf niemand erfahren, was wir aufführen! An die Presse geben wir lediglich, dass der ›Kirschgarten‹ durch etwas anderes ersetzt wird. Aber teilen Sie unbedingt mit, dass wir ein stärkeres Stück gefunden haben!«
Elisa bemerkte, dass Fandorin bei diesen Worten zusammenzuckte, sogar die Schultern einzog. Vielleicht war Bescheidenheit ihm doch nicht ganz fremd? Wie reizend!
»Die freien Tage sind gestrichen!«, dröhnte Stern. »Wir werden jeden Tag proben!«
Unverzeihliche Schwäche
Er war seltsam, dieser Erast Petrowitsch Fandorin. Davon überzeugte sich Elisa in den folgenden Tagen immer mehr. Dass sie ihm tatsächlich gefiel, stand außer Zweifel. Im Übrigen traf sie selten auf Männer, die sie ohne Begehren ansahen. Abgesehen vielleicht von einem wie Mefistow, der Schönheit aufrichtig hasste. Oder dem besessenen Theatermann Noah Nojewitsch – der sah in einer Schauspielerin nur die Schauspielerin, ein Mittel zur Umsetzung seiner schöpferischen Ideen.
Männer, die sie begehrten, verhielten sich auf zwei Weisen. Entweder sie gingen gleich zum Angriff über. Oder – wenn sie stolz waren – sie taten gleichgültig, versuchten aber dennoch, sie zu beeindrucken.
Anfangs spielte Fandorin den Gleichgültigen. Während der Proben, das heißt, in den Pausen, knüpfte er mit gelangweilter Miene nichtssagende Gespräche an. Etwa über den Kelch von KöniginGertrud oder den Schlüssel zum Requisitenfundus. Elisa antwortete ihm höflich, innerlich lächelnd: Wie komisch er ist, er glaubt, er könne mich mit diesem Unsinn hinters Licht führen. Er will einfach bloß meine Stimme hören, dachte sie. Außerdem fand sie ihn sehr schön. Und rührend. Wie er sie unter seinen dichten Brauen hervor anschaute und errötete! Ihr imponierten Männer, die auch in reifen Jahren noch erröteten.
Sie sah voraus, dass er das Gespräch bald abbrechen würde, als wäre er gelangweilt. Er würde sich mit gleichgültiger Miene abwenden, sie dabei aber insgeheim beobachten. War sie beeindruckt oder nicht?
Doch Fandorin verhielt sich anders. Plötzlich unterbrach er seine Fragen danach, wer aus der Truppe Zugang zur Requisite hatte, errötete noch tiefer, hob entschlossen den Blick und sagte: »Ich will Ihnen nichts vormachen. Ich bin ein schlechter Schauspieler. Und ich denke, Sie kann man ohnehin nicht täuschen. Ich frage das eine, denke aber an etwas g-ganz anderes. Ich glaube, ich bin in Sie verliebt. Nicht nur, weil Sie begabt und schön sind und so weiter. Es gibt ganz besondere Gründe dafür, dass ich den K-Kopf verloren habe. Welche, spielt keine Rolle. Ich weiß sehr gut, dass Sie reichlich gesegnet sind mit V-verehrern und an A-anbetung gewöhnt. Mich in die Menge Ihrer Bewunderer einzureihen ist mir eine Qual. Ich kann nicht mit der Frische eines jungen Husaren konkurrieren, nicht mit dem Reichtum eines Herrn Schustrow, dem Talent eines Noah Nojewitsch, der Schönheit eines jugendlichen Helden und so weiter und so fort. Ich hatte nur eine Chance, Ihr Interesse zu wecken – indem ich ein Stück schrieb. Das war für mich eine größere Heldentat als für den Commodore Piri Reis die Entdeckung des Nordpols. Ohne den ständigen Schwindel, d-der
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