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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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einmal zu schweigen – Erast Petrowitsch war ein Meister der Pause: Er schaute sie einfach an, und schon war ihr nicht langweilig. Und zweitens gab es in seinem Haus so viel Interessantes, nach allem wollte sie fragen, und er erzählte gern, so dass das Gespräch ganz von selbst lief, in jede erdenkliche Richtung,
    Elisa fühlte sich vollkommen sicher – auch unter vier Augen, in einem leeren Haus, würde sich ein Gentlemen wie Fandorin nichts Unschickliches erlauben. Nur eines hatte sie nicht berücksichtigt: Kluge Gespräche mit klugen Männern hatten auf sie eine erregende Wirkung.
    Wie war das alles geschehen?
    Es hatte ganz unschuldig begonnen. Sie hatte die Radierungen betrachtet und nach einer sonderbaren Abbildung gefragt: ein Fuchs im Kimono, mit einer hohen Frauenfrisur.
    Das sei ein Kitsune, eine japanische Variante des Werwolfs, erklärte Fandorin. Eine äußerst heimtückische Kreatur. Darauf erwiderte sie, der Kitsune habe große Ähnlichkeit mit Xanthippa Lissizkaja, und erlaubte sich einige verächtliche Bemerkungen über diese wenig angenehme Person.
    »Sie sprechen mit solcher Verbitterung über Frau Lissizkaja.« Er schüttelte den Kopf. »Ist sie Ihre Feindin?«
    »Sehen Sie das denn nicht? Dieses bösartige, kleinliche Geschöpf hasst mich schlicht und einfach!«
    Daraufhin hielt er eine seiner kleinen Reden, wie sie sie von ihmin den letzten drei Tagen schon mehrfach zu hören bekommen hatte, und obgleich sie diese im Stillen ironisch »Predigten« nannte, hatte sie sich daran gewöhnt, ja, sie sogar liebgewonnen. Vielleicht machten sie ja den wahren Reiz der Gespräche mit dem »Reisenden« aus.
    »Begehen Sie niemals diesen Fehler«, sagte Fandorin sehr ernst. »Schätzen Sie Ihre Feinde nicht gering, schmähen Sie sie nicht mit beleidigenden Worten, sagen Sie nie, sie seien nichtig. Damit schätzen Sie sich selbst gering. Denn was sind Sie selbst, wenn Ihr Feind so verachtenswert ist? Wenn Sie Achtung vor sich selbst haben, werden Sie niemals jemandem feindlich gesinnt sein, der keine Achtung verdient. Wenn ein Straßenköter Sie anbellt, stellen Sie sich ja auch nicht auf alle viere und b-bellen zurück. Außerdem, wenn Ihr Feind weiß, dass Sie ihn mit Respekt behandeln, dann wird er Ihnen ebenso begegnen. Das heißt nicht V-Versöhnung, aber es hilft, Gemeinheiten zu vermeiden und den Krieg nicht mit Vernichtung zu beenden, sondern mit einem Friedensschluss.«
    Er war einfach hinreißend, während er diesen bezaubernden Unsinn redete.
    »Sie sind ein echter Intelligenzler«, sagte Elisa lächelnd. »Ich habe Sie zuerst für einen Aristokraten gehalten, aber Sie sind ein klassischer Intelligenzler.«
    Sofort hielt Fandorin eine flammende Philippika an die Adresse der Intelligenz – er war heute außergewöhnlich gesprächig. Wahrscheinlich übte ihre Nähe diese Wirkung auf ihn aus. Obwohl auch etwas anderes nicht auszuschließen war (wie Elisa sich hinterher überlegte). Klug und psychologisch geschult, wie Erast Petrowitsch war, hatte er womöglich bemerkt, wie seine »Predigten« auf seine Zuhörerin wirkten, und diese Waffe ungeniert eingesetzt. Ach, sie konnte ihn noch immer nicht einschätzen!
    Die Rede, bei der Elisa endgültig dahinschmolz, war folgende: »Ich empfinde das nicht als Kompliment!«, entgegnete Fandorinhitzig. »Ein ›klassischer Intelligenzler‹ ist für Russland eine schädliche, ja v-verderbliche Figur! Eine scheinbar sympathische Schicht, aber sie hat einen verhängnisvollen Fehler, den Tschechow so treffend diagnostiziert und verspottet hat. Der Intelligenzler kann beliebige Unbill ertragen und bei einer Niederlage seinen Edelmut bewahren. Aber er ist vollkommen unfähig, den Kampf gegen einen Flegel und Schurken zu gewinnen, die bei uns so zahlreich und mächtig sind. Solange die Intelligenz nicht lernt, sich f-für ihre Ideale zu schlagen, wird aus Russland nichts Gescheites! Aber mit ›schlagen‹ meine ich nicht einen Kampf nach den Regeln des Flegels und Schurken. Sonst wirst du genauso wie er. Nein, ich rede von einem Kampf nach eigenen Regeln, den Regeln eines n-noblen Menschen! Man glaubt gemeinhin, das Böse sei stärker als das Gute, weil es sich keine Beschränkungen in den Mitteln auferlegt – es stellt ein Bein, schlägt aus dem Hinterhalt zu und unter der Gürtellinie, fällt zu zehnt über einen Einzelnen her. Darum sei das Böse, wenn man es nach den Regeln bekämpft, angeblich nicht zu besiegen. Doch solche Reden zeugen von D-dummheit und,

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