Mount Dragon - Labor des Todes
gedacht hatte, war ihm ein kleines bißchen von dieser Hoffnung abhanden gekommen.
Die Lichter im Konferenzraum wurden dunkler und gingen schließlich ganz aus, während vor den Fenstern automatische Rollos heruntergingen. An der hinteren Wand fuhr ein Stück der Holztäfelung zur Seite und gab den Blick auf eine Reihe von Tastaturen und einen großen Videoprojektionsschirm frei. Als nach einigem Geflimmer auf dem Schirm das Gesicht eines Mannes erschien, wurde Carson starr vor Schreck. Zu gut kannte er die abstehenden Ohren, das sandfarbene Haar mit der störrischen Stirnlocke, die dicke Brille, das unvermeidliche schwarze T-Shirt und den leicht verschlafenen und dennoch zynischen Gesichtsausdruck. Es war kein anderer als Brentwood Scopes, der Gründer von GeneDyne, dessen Konterfei erst unlängst die Titelseite des Time -Magazins geziert hatte. Die Ausgabe lag noch immer auf Carsons Couchtisch. Scopes, der an der Wallstreet eine Legende war, den seine Angestellten vergötterten und seine Konkurrenten fürchteten, regierte seine Firma fast ausschließlich über elektronische Medien. Was sollte das hier sein? fragte sich Carson. Ein Motivationsfilmchen für Unverbesserliche?
»Hi«, sagte das Bild von Scopes auf dem Schirm. »Na, wie geht's, Guy?«
Einen Augenblick lang war Carson sprachlos. Du meine Güte, dachte er, das ist ja gar kein Film. »Äh, hallo, Mr. Scopes, Sir. Mir geht es gut, danke. Tut mir leid, daß ich nicht richtig angezogen bin für ein Gespräch mit...«
»Bitte, nennen Sie mich Brent. Und blicken Sie in Richtung Bildschirm, wenn Sie sprechen, dann kann ich Sie nämlich besser sehen.«
»Ja, Sir.«
»Nicht Sir. Brent.«
»Natürlich. Danke, Brent.« Carson fand es ausgesprochen schwierig, den obersten Boß von GeneDyne mit dem Vornamen anzusprechen.
»Ich sehe meine Angestellten gerne als Kollegen an«, sagte Scopes. »Schließlich haben Sie ja, wie alle anderen auch, bei Ihrem Eintritt in die Firma Aktien unseres Unternehmens bekommen. Das bedeutet, daß wir alle miteinander im selben Boot sitzen.«
»Ja, Brent.« Hinter Scopes konnte Carson unscharf einen großen, vieleckigen Raum erkennen.
Scopes lächelte, als freue er sich über die Nennung seines Vornamens, und sah dabei trotz seiner neununddreißig Jahre wie ein Teenager aus. Irgendwie kam Carson dieses Gespräch immer unwirklicher vor. Warum sollte Scopes, das Universalgenie, das aus ein paar alten Maiskörnern ein Vermögen von vier Milliarden Dollar gemacht hatte, ausgerechnet mit ihm sprechen wollen? Mist, ich habe wohl noch mehr verbockt, als ich gedacht habe.
Scopes blickte nach unten, und Carson konnte das Klicken einer Tastatur hören. »Ich habe mir mal Ihre Qualifikationen angeschaut, Guy«, sagte Scopes. »Sehr beeindruckend. Ich kann gut verstehen, warum meine Leute Sie eingestellt haben.« Carson hörte weiteres Tippen. »Nur will mir nicht so recht in den Sinn, weshalb Sie immer noch als...Moment...als Labortechniker der Stufe drei arbeiten.« Scopes blickte wieder auf. »Entschuldigen Sie bitte, Guy, wenn ich ohne Umschweife zur Sache komme. Es gibt hier in der Firma eine sehr wichtige Stelle, die momentan nicht besetzt ist. Ich glaube, daß Sie genau der Richtige dafür sind.«
»Was ist denn das für eine Stelle?« platzte Carson heraus und ärgerte sich darüber, daß er so aufgeregt klang. Scopes lächelte abermals. »Ich würde es Ihnen ja gerne erklären, aber sie hat etwas mit einem äußerst vertraulichen Projekt zu tun. Sie haben sicherlich Verständnis dafür, wenn ich sie Ihnen auf diesem Wege nur in ganz groben Zügen beschreiben kann.«
»Natürlich, Sir.«
»Guy, sehe ich für Sie wirklich wie ein >Sir< aus? Es ist noch gar nicht so lange her, da war ich nichts weiter als ein verpickelter Streber, der von den anderen Jungen auf dem Schulhof dauernd gehänselt wurde. Nun gut. Reden wir von der Stelle, die ich für Sie herausgesucht habe. Sie hat etwas mit dem wichtigsten Produkt in der Firmengeschichte von GeneDyne zu tun. Einem Produkt, das für die Menschheit von unschätzbarem Wert sein wird.«
Als Scopes Carsons Gesichtsausdruck sah, mußte er grinsen. »Es ist toll«, sagte er, »wenn man den Menschen helfen und gleichzeitig ein reicher Mann werden kann.« Er kam mit dem Gesicht ganz dicht an die Kamera. »Guy, was ich Ihnen anbiete, ist ein sechsmonatiger Aufenthalt in unserem Labor in der Jornadadel-Muerto-Wüste, das Ihnen vermutlich besser unter dem Namen Mount Dragon bekannt sein
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