Mozart - Sein Leben und Schaffen
andern Jugendsinfonien liegt in Einzelheiten. Und zwar sind es im vorliegenden Falle solche orchestaler und rhythmischer Art. Was er in Mannheim erfahren und in Paris beobachtet hatte, ist geschickt verwertet. Die Überraschung übrigens mit Piano und Forte am Eingang des letzten Allegro findet sich bei Haydn sehr oft.
Inzwischen waren auch die bereits in Mannheim begonnenen sechs Klaviersonaten mit Violinbegleitung vollendet worden. Bedeutender innerhalb Mozarts Gesamtwerk, vor allem aber hervorragend als persönliches Bekenntnisstück ist die A-moll -Sonate für Klavier, die auch in dieser Pariser Zeit entstand. Sie nimmt unter sämtlichen Klaviersonaten Mozarts eine Sonderstellung ein durch die Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks einer hin- und hergerissenen Empfindung, durch eine fast bittere Energie und den schmerzhaften Ernst, alles gemildert durch die rührende Ergebenheit im Mittelsatze.
Diese Sonate ist ein treues Bild der Stimmung, in der sich Wolfgang in dieser Pariser Zeit befand. »Ich muß mich hier plagen, daß ich es Ihnen nicht genug sagen kann«, heißt es in einem Briefe an den Vater seiner Aloysia Weber in Mannheim; und am Schlusse desselben Schreibens heißt es, daß er für Vater und Schwester mehr leben müsse als für sich selbst. Zu allen seinen persönlichen Nötenkam eben noch die große Sorge um die Webersche Familie in Mannheim, bei der die Not aufs höchste gestiegen war. Wir besitzen seit 1891 von den ziemlich zahlreichen Briefen Mozarts an Weber einen, der sich in Goethes Handschriftensammlung erhalten hat (Goethe-Jahrbuch 1891, S. 100). Wir erkennen daraus, daß Mozart sich fast mehr Sorgen um die Mannheimer machte als um sich, und es ist rührend aber – wenn man seine eigene Hilflosigkeit in praktischen Dingen bedenkt – auch ergötzlich zu sehen, wie Wolfgang zu einem ganz durchtriebenen Diplomaten wird, wo es gilt, der – Geliebten zur Anerkennung zu verhelfen. Nun, die Webers sind schnell in gute Umstände gekommen, da Aloysia bald darauf an der Münchener Oper eine schöne Stellung fand; Wolfgang selber aber stand ein Erlebnis bevor, das ihn und die Seinen daheim aufs tiefste erschütterte:
der Tod der Mutter.
Die Mutter hatte sich nach den schönen Mannheimer Tagen in Paris nicht wohlfühlen können. In dem kleinen Gasthof » des quatre fils Aymon « waren Wohnung und Kost schlecht. Außerdem litt die an ein gemütliches Familienleben gewöhnte, immerhin bald sechzigiährige Frau schwer unter dem Alleinsein, zu dem sie verurteilt war, da ihr Sohn tagsüber seinen Geschäften nachging. Nachdem sie bereits im Mai mehrere Wochen krank gewesen, fühlte sie sich im Juni wieder unwohl. Ein Aderlaß brachte vorübergehend Besserung, aber dann wurde sie, bei der die Ärzte kein ernstes Leiden finden konnten, immer schwächer und verschied sanft am 3. Juli. In dem gleichen Briefe, der vom Erfolg seiner Sinfonie berichtet, sucht Wolfgang den Vater auf den schweren Verlust vorzubereiten. Die Sorge um die Lieben daheim beherrschte ihn ganz. Man muß den gesamten Briefwechsel dieser Wochen nachlesen (vgl. m. Ausgabe S. 88 ff.), um voll zu ermessen, wie sehr Wolfgang in dieser schweren Zeit innerlich und äußerlich gereift war. Er, dessen weiches Gemüt uns allseitig bezeugt wird, verbiß seinen großen Schmerz – die im Salzburger Mozarteum aufbewahrten Briefe zeigen viele Tränenspuren –, versenkte sich ganz in des Vaters Art, um wirksameTrostesworte zu finden, und wußte klug den traurigen Nachrichten so viele von lebendigem Schaffen beizufügen, daß des Vaters Schmerz abgelenkt wurde. Bald nahm ihm dann auch ein tiefempfundener Brief des Vaters die schwerste Angst vom Herzen; er sah, »daß ich wegen meinem besten Vater und liebsten Schwester außer Sorge sein kann... Jetzt, Gott Lob und Dank, bin ich ganz frisch und gesund, nur bisweilen habe ich so melancholische Anfälle – da komme ich aber am leichtesten davon durch Briefe, die ich schreibe oder erhalte; das muntert mich dann wieder auf.«
Briefe hat er denn auch jetzt mit besonderer Ausführlichkeit nach Hause geschrieben und sich dabei – ein schöner Zug – alle Mühe um eine gute Handschrift gegeben, um die ihn sein Vater früher immer mahnen mußte. Er sagte sich selbst, daß der Vater jetzt doppelt um ihn in Sorge sei, und vermied deshalb auch jene Anzeichen von Unzufriedenheit und Verstimmung, die in den vorangehenden Pariser Briefen recht häufig sind.
Leider hatte er aber auch jetzt von wirklich greifbaren
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