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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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sicher kaum berührt haben. Das überrascht zunächst bei einem so grundgescheiten Manne und so gewissenhaften Pädagogen. Erst recht wenn wir bedenken, daß er Zeitgenosse (L. M. 1719–1787) von Gluck (1714–1787) und Lessing (1729–1781) war, daß in die Kindheit seines Sohnes die heftigen Reformkämpfe Glucks in Wien (Orpheus 1762, Alceste 1767) fielen, denen sich der erbitterte Kampf um die Oper in Paris anschloß. Dazu kamen dann jene Bestrebungen um eine deutsche Nationaloper, die Versuche mit dem Melodrama, das Singspiel, der ungeheure Aufschwung, den die deutsche Dichtung in dieser Zeit nahm: kurz, es war eine Zeit, in der nicht nur das Kunstschaffen aufs höchste erregt war; vielmehr war auch die Behandlung ästhetischer Fragen für alle künstlerisch veranlagten Menschen geradezu zur Notwendigkeit geworden, was sich auch aus der Tatsache ergibt, daß auch unsere hervorragenden Dichter sich ausgiebig mit ästhetischen Problemen beschäftigten.
    Aber wir wollen bedenken, daß Leopold Mozart in Salzburg lebte, einem kleinen, vom großen Verkehr völlig abgeschlossenen Städtchen, in dem der gute Schachtner mit seinen unfreiwillig komischen Versen allen Ernstes als Operndichter in Betracht kommen konnte. Das zu einer Zeit, als denn doch immerhin schier ein volles Menschenalter seit dem Erscheinen von Klopstocks »Messias« vergangen war; als bereits Lessings Dramen und Goethes »Götz« auf der Bühne standen; als derselbe Goethe neben Bürger den Wundergarten deutscher Lyrik erschlossen hatte. Von dem neuen geistigen Leben, dasNord- und Mitteldeutschland und auch die Südwestecke wie ein Sturm durchbrauste, kam doch nur ein ganz schwacher Luftzug bis in die Salzburger Alpen. Überdies wirkte auch noch die Scheidewand der Religion hemmend. Auch Wolfgang schreibt in einem Briefe an den Vater von den »lutherischen Komponisten«, wo er eigentlich die Norddeutschen meint.
    Aber den Ausschlag gab doch, daß des sonst so regen Mannes musikalisches Empfinden einseitig formalistisch musikalisch war, auch dort, wo die Musik mit dem Worte verbunden auftrat. Auch hierin ist Leopold ganz das Kind der eben ablaufenden Periode. Und gerade nach der Richtung hin hat seine sonst so vortreffliche Erziehung Wolfgangs ihre einengenden Grenzen gehabt. Es fehlen die Ausdrücke, um das leicht genug zu sagen, da es ja an sich fast vermessen ist, gegenüber der wunderbaren Entfaltung Wolfgangs, seinem ungeheuren Reichtum, noch von unerfüllten Wünschen sprechen zu wollen. Aber andererseits hat diese Einzigartigkeit Wolfgangs in Verbindung mit seinem frühen Tode doch auf die Musikgeschichte insofern irreführend gewirkt, als man sich daran gewöhnt hat, in dem von Mozart auf den verschiedenen Gebieten des damaligen musikalischen Strebens Geleisteten nicht nur etwas in sich Vollkommenes, sondern auch jeweils den Gipfel der betreffenden Richtung zu sehen. Man kümmert sich nicht darum, ob nicht manche wertvollen Anfänge ohne die rechte Fortsetzung geblieben sind. Gerade, wenn man Mozarts Gesamterscheinung als so einzigartig ansieht, wie ich es tue, hat man das Recht, auch die Grenzen seiner Wirksamkeit aufzudecken. Er wird nicht kleiner dadurch und bedarf zu seiner Ausnahmestellung in der Kunstgeschichte nicht der Verringerung der Verdienste und der Bedeutung anderer. Und auch seinem Vater wird niemand einen Vorwurf daraus machen, daß er, abseits der großen Entwicklungslinie der Kunst, nicht den höchsten Standpunkt fand. Erst recht nicht, wenn man seine äußeren Lebensumstände bedenkt, die ihm als nächste Lebensaufgabe seines geliebten Sohnes den Erfolg bei der Mitwelt, die glückliche äußere Lebenshaltung und Gestaltung erscheinen ließen.
    Es ist aber sicher, daß er gerade nach dieser Richtung hin aufseinen Sohn später hemmend gewirkt hat; und vielleicht hat die stete Klage Wolfgangs über die engen Verhältnisse seiner Heimat, darüber, daß ihm alle Anregung an einem Orte wie Salzburg fehle, darin den Grund, daß er keine Gelegenheit zur Aussprache über jene künstlerischen Fragen fand, die ihn als so hervorragend musikdramatische Natur zweifellos aufs tiefste ergriffen haben. Man fühlt das ja doch auch aus seinen Briefen. Die Art, wie ihn der Gedanke an eine deutsche Oper in Mannheim zuerst sehr lebhaft begeistert, wie er dann in Paris doch wieder davon abkommt, indem die ganze Liebe zur italienischen Musiksprache wieder erwacht; die Art, wie er gegenüber den Kämpfen der Gluckisten und Piccinisten sich durch die

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