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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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Zeit derartig natürlich erschien, daß sie alles beherrschte und alles ergriff. Man hat im Zeitalter der Gotik keineswegs bloß Kirchen und das den Kirchen Zugehörige gotisch gestaltet, sondern alles, was gebaut wurde, in diesem Geiste gehalten. Ebenso nachher in der Renaissance. Es ist klar, daß eine solche Auffassung des Stils und damit die Herrschaft eines Stils sich nur in Zeitaltern entwickeln kann, in denen das gemeinsame Fühlen außerordentlich groß, in denen fast eine Einheitlichkeit des Kunstempfindens vorhanden ist. Denn zum Stil wird nur eine Form, die allen als die natürliche Aussprache eines künstlerischen Inhalts erscheint. Es ist darum ganz natürlich, daß, sobald in der Menschheit das Gefühl dieser großen Einheitlichkeit nachließ, sobald die Willkür des persönlichen Fühlens im Einzelgeschmack die Herrschaft an sich riß, Stile nicht mehr so leicht entstehen konnten; und wenn das doch geschah, das Gefühl sich einstellte, daß ein Stil nicht alles ausdrücken könne, daß er vielmehr für ganz bestimmte Sachen besonders geeignet sei. Wir stehen heute auf dem Standpunkt, daß der Stil nicht mehr der Ausdruck einer bestimmten Zeit , sondern die beste Ausdrucksweise für eine bestimmte Sache ist.
    Daß von den Künstlern, zumal wieder auf dem hier sinnfälligstenGebiete der Architektur, gegen diese Erkenntnis fortwährend gefehlt wird, ist allbekannt und oft bedauert. Es stehen sich hier zwei von der geschichtlichen Entwicklung her begreifliche Gefühlswelten gegenüber, von denen die eine, die ihren Antrieb mehr aus der geschichtlichen Betrachtung der Vergangenheit gewonnen hat, jene Einheitlichkeit alles Dargestellten zu erreichen sucht, die in vergangenen Zeitaltern von selbst zustande kam, die also alles in einem bestimmten Stil darstellte. Man denke z. B. an die romanische Anlage des Platzes um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, wo auch die Privathäuser, die Geschäftsräume, Wirtschaftsstuben, die Hallen des Zoologischen Gartens, die Laternenpfähle, ja, wenn es dazu käme, eine Bedürfnisanstalt im romanischen Stil errichtet sind. Das ist aber eine künstliche Zurückschraubung des Empfindens ins Historische, die gerade bei der Kunst unmöglich und unlebendig ist. Es liegt zweifellos daran, daß heute die Architektur die unproduktivste aller Kunst ist, wenn solche Fälle überhaupt noch möglich sind.
    Die entgegengesetzte Richtung beruht auf dem Gefühl der Sachlichkeit, der inneren Wahrheit der Kunst, und sie verlangt, daß die Form aus dem Inhalt heraus gestaltet werde, daß also der Inhalt gesetzgeberisch wirkt. Der aus der Geschichte geschöpfte Einwand der ersten Richtung, daß in Zeitaltern, deren künstlerische Überlegenheit über unsere heutige alle willig anerkennen, die Einheitlichkeit der Form, die Alleinherrschaft eines Stils vorhanden gewesen sei, ist nicht stichhaltig. Gerade die Fähigkeit, historisch zu empfinden, vergangene Zeiten in ihren seelischen und damit Kunstäußerungen zu verstehen, bewirkt es, daß wir gewisse Stilformen als den Ausdruck eines ganz besonderen seelischen Empfindens fühlen, daß diese Formen damit für uns Ausdrucksmittel eines Seelischen geworden sind und nicht mehr gegebene Formen . Gerade auf dieser Herrschaft des Seelischen beruht es, daß wir keinen Stil mehr erhalten. Dieses Seelische ist individuell, persönlich, der Stil dagegen ist etwas allgemein als gültig Anerkanntes. Je stärker die Individualität sich ausgeprägt hat, je zahlreicher und stärker die Persönlichkeiten werden, um so weniger wird die große Masse den Ausdruck einer einzelnenPersönlichkeit so sehr als den eigenen empfinden, daß sie diesen Ausdruck als einen Stil anerkennt, das ist als die Form, in der sich ein Bestimmtes allein oder doch am besten ausdrücken läßt. Wir haben ja gerade in den letzten Jahren der ewigen Stilsucherei massenhaft Stile einzelner Künstler erhalten, d. h. ein einzelner Künstler fand für sich eine Form, in der er bestimmten Zwecken entsprechende Dinge naturgemäß ausdrücken zu können glaubte. Auch bei den gelungensten derartigen Versuchen ist es nur dahin gekommen, daß man das betreffende Werk als ein vorzügliches persönliches Kunstwerk anerkannte, nicht aber als den Stil, d. h. als die einzige oder doch die vollkommenste Ausdrucksform der betreffenden künstlerischen Aufgabe. Als einzige Ausnahme stände allenfalls Richard Wagners Musikdrama da, wobei wir aber doch fühlen, daß auch hier der Stilkreis weit

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