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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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er fast bis zur Kopie Glucks gegangen in der unterirdischen Stimme im »Idomeneus«).
    Dadurch, daß nun Mozart einen Stil nicht als Formprinzip übernimmt, sondern als Ausdrucksmittel, vermag er die verschiedensten Stile gleichzeitig zu benutzen; das einigende Band ist sein Empfinden. Die Gesetzmäßigkeit der Form beruht darin, daß sie in jedem Augenblick Wahrheit ist. Man denke an das bunte Stilgemisch in der »Zauberflöte« und halte dagegen, welch wahres, einheitliches Kunstwerk dennoch entstanden ist.
    Die Folgen dieses eigentümlichen Stilverhältnisses sind 1) daß Mozart der Welt gehört, daß die Welt ihn versteht, weil er zur Welt spricht; 2) liegt in dieser Art des Stils das Unsterbliche in Mozarts Musik. Es ist nicht wahr, und zum wenigsten ist ja selbst von tausend Musikern, geschweige denn vom Volk kaum einer imstande, beim Genuß zu empfinden, daß Mozarts rein musikalisches Können seine Überlegenheit über die anderen Vertreter der betreffenden Stilarten ausmacht. Seine unendlich höhere Wirkung als die aller anderen, auch den gewaltigen Gluck nicht ausgenommen, beruht vielmehr darin, daß sein Stil immer Ausdruck ist, daß in jedemeinzelnen Falle die von ihm gewählte stilistische Form als die für diesen Augenblick natürliche und überzeugende Ausdrucksweise auftritt. Diese Wahrheit des Ausdrucks, diese Sachgemäßheit der gewählten Form bewahrt seine Musik genau so vor dem Historischwerden, bewahrt ihr genau so die stets lebendige Wirkung wie die Gotik einem alten Dom, wie das Rokoko einem französischen Gartenschlößchen usw. Wir haben eben in jedem Augenblick das Gefühl, daß die gewählte Form dem betreffenden Inhalt völlig entspricht, ihn vollkommen kündet. Deshalb sind die Nachfolger und Nachahmer keines Künstlers so kläglich gescheitert wie die Mozarts, weil sie überall dort nur stilistische Formen sahen, wo in Wirklichkeit stets wechselnde Ausdrucksgestaltung vorhanden war.
    »Eine rührendere und erhebendere Erscheinung hat keine Kunstgeschichte aufzuweisen.« So Richard Wagner. Erhebend ist in der Tat ein derartig wunderbares Schaffen eines Menschen, für das sich der Ausdruck »göttlich« so leicht einschleicht. Daß die Kunstgeschichte keine rührendere Gestalt hat als die Mozarts, wird die Darstellung seines Lebens dartun.

Erster Teil
Kinder- und Lehrjahre

1. Die Eltern und das Kind
    Die Mozarts stammen aus Augsburg. Schon im 17. Jahrhundert sind sie dort als einfache, meist im Handwerkerstande und immer in bescheidenen Verhältnissen lebende Bürger nachzuweisen. Des Komponisten Großvater war Buchbinder. Als das jüngste seiner Kinder wurde Johann Georg Leopold Mozart am 14. November 1719 geboren. Wir verehren ihn heute als den Vater des größten Musikers; aber auch um seiner selbst willen verdient er als Mensch aufrichtige Verehrung und als Musiker die Beachtung des Historikers.
    Wir müssen uns in die kläglichen Verhältnisse des deutschen Stadtbürgertums in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückversetzen, um richtig schätzen zu können, was es hieß, wenn einer durch eigene Kraft, ohne fremde Beihilfe sich diesen Verhältnissen zu entwinden vermochte. Das geistige Leben des deutschen Volkes war damals stumpf; noch hatte kein belebender Hauch über den einst so fruchtbaren Garten der deutschen Volkskultur geweht, der im Dreißigjährigen Kriege so schrecklich verwüstet worden war. Für dieLiteratur, nach der man ja gewöhnlich den Geisteszustand eines Volkes einzuschätzen gewohnt ist, braucht man nur auf die wichtigsten Jahreszahlen zu verweisen, auf das bekannte Jahr des Heils 1748, in dem Klopstocks »Messias« wie ein Messias einer neuen deutschen literarischen Kultur sein Befreiungswunder für die deutsche Seele vollbrachte. Wir Musiker freilich wollen nicht vergessen, daß vor dieser literarischen Auferstehung ein starkes Leben in Musik bereits erwacht war. Und wenn auch die beiden gewaltigen Riesen unserer Kunst, Händel und Joh. Seb. Bach , in ihrer hehren Größe nicht erkannt wurden; wenn der eine in die Fremde ziehen mußte, wie so viele Deutsche nach ihm, um Anerkennung zu finden, wenn der andere unerkannt, in seelischer Einsamkeit den unerschöpflichen Hort seiner Kunst aufhäufte, aus dem man erst ein Jahrhundert später so recht zu schöpfen begann, so war doch die Musik gerade in der trübsten Zeit die Kraft gewesen, in der wenigstens das seelische Leben und Empfinden auch der breiten Masse des Volkes eine Heimat gefunden hatte. Was die

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