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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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Gesellschaftskreise hinaufzuschmuggeln, die er literarisch so scharf zu geißeln wußte. Dieser Beaumarchais ist eine der merkwürdigsten Erscheinungen der französischen Literaturgeschichte. Dichterisch und musikalisch begabt, ein sehr kluger Kopf, waren ihm alle Mittel recht, vorwärts zu kommen und Aufsehen zu erregen. Er ist einer der frühesten Reklamehelden der Literaturgeschichte, der stets die öffentliche Meinung mit sich zu beschäftigen wußte, und auch aus jenen Zufällen seines Lebens, die man als unglückliche bezeichnen müßte, Kapital zu schlagen wußte. Es ist ja auch auffällig genug, daß er bereits als Vierzigjähriger mit »Memoiren« vor der Öffentlichkeit erschien. Ein merkwürdig gemischter Charakter, geißelt er mit ehrlicher Entrüstung alle jene Schäden der Gesellschaft, durch deren Benutzung er im praktischen Leben vorwärts zu kommen verstand. Gleichzeitig erreichte er es dadurch, alle seine Gegner mit der scharfen Waffe seiner Satire zu züchtigen. Den durch die »Memoiren« (1774) gegründeten literarischen Ruf befestigte sein zwei Jahre darauf aufgeführtes Lustspiel » Le barbier de Séville «, das er selber zuerst als eine Art Operette geschrieben hatte, mit zahlreichen Gesangseinlagen, für die er die Musik nach spanischen Motiven – er hatte sie sich in Spanien selbst, wo er den Verführer seiner Schwester, Clavijo, gezüchtigt halte (vgl. Goethes Schauspiel) gesammelt – bearbeitet hatte. Bereits ein Jahr nach der erfolgreichen Aufführung des Lustspielsschuf Paësiello im getreuen Anschluß daran seine meisterhafte komische Oper, die erst 1816 durch Rossinis Meisterwerk aus der allgemeinen Gunst verdrängt wurde (das Entstehungsjahr von Paësiellos Oper ist sehr verschieden angegeben; ich folge hier den Darlegungen R. Genées in den »Mitteilungen der Mozart-Gemeinde«, II, Heft 11). 1781 ließ Beaumarchais als Fortsetzung jenes ersten Stückes » Le mariage de Figaro « folgen, das aber erst nach langen Kämpfen, die die Teilnahme des Publikums zur Leidenschaft steigerten, am 27. April 1784 im Théatre français aufgeführt werden konnte und einen ganz gewaltigen Erfolg errang.
    Nach einem vorzüglichen Bericht über das Werk, den der uns aus Mozarts Pariser Zeit so wohlbekannte Baron Grimm in seiner » Correspondence litéraire « veröffentlichte, muß dieser Erfolg »vorzüglich der Konzeption des Werkes selbst beigemessen werden, einer Konzeption, die ebenso toll und ausgelassen als neu und originell ist. Es ist ein Imbroglio, dessen leicht aufzugreifender Faden eine Menge ebenso drolliger als unvorhergesehener Situationen herbeiführt, den Knoten der Intrige unaufhörlich künstlich zusammenzieht und am Ende zu einer zugleich klaren, sinnreichen, komischen und natürlichen Entwicklung führt.« Dieser Bericht eines Zeitgenossen, der in seiner Vielgewandtheit Verständnis für die verschiedensten geistigen Strömungen und alle gesellschaftlichen Schichten des französischen Volkes hatte, ist besonders wichtig, weil er die Stellungnahme der damaligen Gesellschaft zu dem Werke sicher treuer wiedergibt, als spätere literaturgeschichtliche Betrachtungen. Wir sehen hier, daß also auch in dieser französischen Gesellschaft der eigentliche Wert des Beaumarchaisschen Lustspiels in der Handlung gesehen wurde, in jenem Geschehen, das der Untertitel des Werkes ankündigte: »Ein toller Tag.« So erklärt es sich auch leicht, daß die gesamte Gesellschaft an diesem Stücke ein so großes Gefallen fand, was doch kaum der Fall gewesen wäre, wenn die Leute sich wirklich schwer getroffen gefühlt hätten.
    Dem steht nun das lange Verbot der Aufführung gegenüber. Grimm meint, man müsse gestehen, daß das Werk im ganzen ja nicht zu der strengsten Gattung gehöre; es sei ein keck hingeworfenes Gemäldeder Sitten der damaligen Gesellschaft. Sicher habe Beaumarchais, als er diese »schon verderbten oder der Verderbnis nahen Personen zusammenbrachte und mit einer Schar von Gimpeln oder Schelmen umgab«, nicht die Absicht gehabt, ein wesentlich moralisches Stück zu schreiben. »Aber es waren keinenfalls jene etwas gewagten Situationen und einige weniger sittenlose als drollige Züge, die so lange die Vorstellung verzögert haben. Vielmehr lag der Grund dazu darin, daß der Verfasser sich die schneidendsten Sarkasmen gegen alle diejenigen erlaubte, die das Unglück gehabt haben, sich sein Mißfallen zuzuziehen. Er hat seinem Figaro die meisten Begebenheiten in den Mund gelegt, die

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