Mozart - Sein Leben und Schaffen
köstlicher Oper bekannt sind. Da ist Graf Almaviva ein prächtiger Liebhaber, der es von vornherein gegenüber Dr. Bartolos Mündel, Rosine, ehrlich meint. Der Graf steht dann über seiner Zeit, daß er eine Bürgerliche zu heiraten gedenkt und gar nichts von der Meinung vornehmer Herren zeigt, die bürgerliche Welt als freies Jagdrevier ihrer Gelüste zu betrachten. Figaro ist schon hier der lustige, fröhliche Bursch, dem im allgemeinen das Feld für die Betätigung seiner Klugheit und Verschlagenheit gar nicht weit genug sein kann, der allerdings in diesem Falle nur deshalb dem Grafen seine Hilfe leiht, weil er dessen ehrliche Absicht kennt, und andererseits so erreicht, daß dem geizigen alten Dr. Bartolo die Braut weggefischt wird. In »Figaros Hochzeit« ist der Graf ein ganz anderer. Wohl hat er bei seiner Vermählung mit Rosine im Überschwang seiner Liebe das »alte schändliche Herrenrecht« (Jus primae noctis) aufgehoben. Aber nachdem der erste Liebesrausch verflogen, ist er durchaus nicht mehr gesonnen, auf diese Rechte zu verzichten. Er ist Lüstling und Wüstling, wohlverstanden, wir sprechen immer von den Gestalten bei Beaumarchais. Rosine ist als Gräfin gesetzter geworden und leidet schwer unter des Gatten Vernachlässigung, ist aber, um Grimms Ausdruck zu brauchen, »zärtlicher und reizbarer, als unsere Sitten es den Weibern, besonders den verheirateten, gestatten«. Es bedarf schon der kräftigen Aufmunterung durch Figaro und Susanne, daßdie Rosine von ehedem wieder einmal lebendig wird, um sich zu einem lustigen Intrigenspiel zu verstehen, das ihr den Gatten wiedergeben soll. Gerade das dritte Stück Beaumarchais zeigt, daß er in dieser Gräfin keineswegs jene reine Gestalt gesehen hat, wie sie in unserer Vorstellung durch Mozart lebt. Denn bei diesem kommen wir doch keinen Augenblick auf den Gedanken, daß sie für Cherubin ein anderes Gefühl hegt, als das der überlegenen fraulichen Güte für einen hübschen Jungen. Im Mittelstücke steht in vollem Glänze da: Figaro, seines Wertes bewußt, aber auch ein tüchtiger und ehrlicher Mensch vor allem in seiner Liebe zu Susanne. Nicht einmal diese Gestalt hat Beaumarchais ganz auf der Höhe gelassen, und da er sicher in ihr sich selber gezeichnet hat, dürfen wir ein vielleicht unfreiwilliges, Vielleicht doch auch bewußtes wehmütiges Eingeständnis des Dichters über sein eigenes Herabsinken darin sehen, wenn der Figaro des letzten Stückes ein etwas bequemer und auch schwerfälliger Philister geworden ist. Der Graf aber hat sich zu einem unverständigen Tyrannen, die Gräfin zur kopfhängerischen Trauerweide weiterentwickelt.
Es war nach dem Zeugnis da Pontes, der nicht der Mann dazu war, seine Verdienste zu schmälern, Mozarts Plan, das damals seit einem Jahr bekannte Lustspiel Beaumarchais als Oper zu bearbeiten. Man kann nicht verkennen, daß Mozart von der Gesamttendenz des französischen Lustspiels gepackt werden mußte. Er teilte mit Figaro die Überzeugung, daß es die eigene Tüchtigkeit sein müsse, die den Menschen im Leben vorwärts bringt, nicht aber Vorrechte der Geburt, nicht Begünstigung irgendwelcher Art. Gerade weil Mozart überall Hemmungen fand, zu der Stellung zu gelangen, zu der ihn seine Tüchtigkeit befähigte, mußte ihm die Bekämpfung dieser verlotterten Verhältnisse am Herzen liegen. Auch gegen die Kritik, die Figaro an den öffentlichen Zuständen übte, wird er wenig einzuwenden gehabt haben. Den Haß gegen Zwischenträger, gegen bestechliche Obrigkeit fühlt ja jeder anständige Charakter. Ich möchte nun keineswegs aus Mozart so etwas wie einen Revolutionär machen. In Beaumarchais Lustspiel lebt ja nicht der große Geist der Revolution,sondern der der Satire an den minderwertigen Erscheinungen des Bestehenden. Das ist ein großer Unterschied.
Die Teilnahme, die das Lustspiel des Franzosen dem Menschen Mozart einflößen mußte, übertrug sich auf den Dramatiker . Und hier empfand Mozart sicher genau dasselbe wie Grimm. Der dramatische Wert des Stückes lag in der köstlichen Handlung, aus der sich ganz natürlich eine Fülle unterhaltsamer Verwicklungen ergeben, die sich unaufhaltsam abspielen. Mozarts Scharfblick erkannte, daß dieses kostbare Intrigenspiel vollkommen unabhängig bestand von jenen hundert einzelnen Bemerkungen politisch-satirischer Art, mit denen der Dialog Beaumarchais gespickt war. Ohne Schaden für das Lustspiel konnte die ganze Politik gestrichen werden. Damit fiel das eigentlich
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