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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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nein, es ist unglaublich, wenn man sieht, wie es eine ganze Stunde hindurch phantasiert und so sich der Begeisterung seines Genies und einer Fülle entzückender Ideen hingibt, welche es mit Geschmack und ohne Wirrwarr aufeinander folgen läßt. Der geübteste Kapellmeister kann unmöglich eine so tiefe Kenntnis der Harmonie und der Modulationen haben, welche es auf dem wenigst bekannten, aber immer richtigen Wege durchzuführen weiß. Es hat eine solche Fertigkeit in der Klaviatur, daß wenn man sie ihm durch eine darüber gelegte Serviette entzieht, es nun auf der Serviette mit derselben Schnelligkeit und Präzision fortspielt. Es ist ihm eine Kleinigkeit, alles, was man ihm vorlegt, zu entziffern; es schreibt und komponiert mit einer bewunderungswürdigen Leichtigkeit, ohne sich dem Klavier zu nähern und seine Akkorde darauf zu suchen [also schon damals die völlige Unabhängigkeit von der sinnlichen Unterstützung]. Ich habe ihm ein Menuett aufgesetzt und ihn ersucht, den Baß darunterzusetzen; das Kind hat die Feder ergriffen, undohne sich dem Klavier zu nahen, hat es den Baß daruntergesetzt. Sie können wohl denken, daß es ihm nicht die geringste Mühe kostet, jede Arie, die man ihm vorlegt, zu transponieren und zu spielen, aus welchem Ton man es verlangt. Allein folgendes, was ich gesehen habe, ist nicht weniger unbegreiflich. Eine Frau fragte ihn letzthin: ob er wohl nach dem Gehör und ohne sie anzusehen eine italienische Kavatine, die sie auswendig wußte, begleiten würde? Sie fing an zu singen. Das Kind versuchte einen Baß, der nicht nach aller Strenge richtig war, weil es unmöglich ist, die Begleitung eines Gesangs, den man nicht kennt, genau im voraus anzugeben! Allein sobald der Gesang zu Ende war, bat er die Dame, von vorn wieder anzufangen, und nun spielte er nicht allein mit der rechten Hand das Ganze, sondern fügte zugleich mit der linken den Baß ohne die geringste Verlegenheit hinzu; worauf er zehnmal hintereinander sie ersuchte, von neuem anzufangen, und bei jeder Wiederholung veränderte er den Charakter seiner Begleitung. Er hätte noch zwanzigmal wiederholen lassen, hätte man ihn nicht gebeten, aufzuhören. Ich sehe es wirklich noch kommen, daß dieses Kind mir den Kopf verdreht, höre ich es noch ein einziges Mal; und es macht mir begreiflich, wie schwer es sein muß, sich vor Wahnsinn zu bewahren, wenn man Wunder erlebt. Herrn Mozarts Kinder haben die Bewunderung aller derer erregt, die sie gesehen haben, der Kaiser und die Kaiserin haben sie mit Güte überhäuft. Dieselbe Aufnahme haben sie in München und Mannheim erfahren. Schade, daß man sich hierzulande so wenig auf Musik versteht! –«
    Es war das Paris vor Gluck. Und wenn durch dessen Wirksamkeit der Geschmack und das Verständnis des Volkes natürlich nicht im innersten verändert worden sind, so hätte man sich doch später nicht mehr über die geringe Teilnahme an musikalischen Dingen zu beklagen brauchen, denn durch den Streit der Gluckisten und Piccinisten wurden musikalische Fragen in den Vordergrund alles Interesses geschoben. Jetzt aber teilte auch Leopold Mozart diese geringe Einschätzung der Pariser Musikverhältnisse seines Freundes. Von allem, was er an eigentlicher Musik hörte, ließ er nur die Chöregelten. Stets bemüht, seinem Sohn jede nur mögliche Anregung zu verschaffen, versäumte er mit ihm keine Gelegenheit, diese Chöre zu hören, die ja in der Tat gegenüber der kärglichen Verwendung des Chores in der italienischen Oper bedeutsam hervorstachen. Übrigens hat der kleine Mozart in gewisser Hinsicht Gluck den Weg in Paris bereitet. Er hat den Franzosen gezeigt, daß auch Deutschland musikalische Genies hervorzubringen imstande sei. In Paris erschienen zuerst Kompositionen Mozarts im Druck. Es waren vier Sonaten für Klavier und Violine, deren zwei erste der königlichen Prinzessin Victoire, die andern der Gräfin de Tessé, einer Ehrendame der Dauphine gewidmet waren. Im übrigen fühlte sich der alte Mozart, trotz der Ehrenbezeugungen und der Geschenke, mit denen sie überhäuft wurden, in Paris nicht wohl. Seinem scharfen Blick entging weder die sittliche Verderbtheit des ganzen Lebens noch die Unterwühlung aller sozialen Verhältnisse, wie er sich auch durch den glänzenden äußeren Prunk nicht darüber täuschen ließ, daß in Wirklichkeit eigentlicher Wohlstand nicht vorhanden war.
    Am 10. April 1764 reisten sie von Paris ab nach London, wo sie nach zwölftägiger Reise anlangten. Hier waren

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