Mozart - Sein Leben und Schaffen
künstlerischen Triumph, sondern auch eine glänzende Einnahme von über 100 Guineen brachte. Bald darauf erkrankte der Vater an einer heftigen Halsentzündung, und so zog die Familie aufs Land. In der erzwungenen Muße komponierte der Knabe seine erste Sinfonie. Noch drei weitere hat er in London komponiert, so daß in den folgenden Konzerten die Instrumentalmusik fast immer von der Komposition des Knaben war. Sechs Sonaten für Klavier und Violine kamen auch im Stich heraus und trugen eine vom 18. Januar 1765 datierte Widmung an die Königin. Musikgeschichtlich wichtiger ist, daß der neunjährige Knabe eine neue Gattung in die Klaviermusik einführte: die Klaviersonate für vier Hände. Bislang hatte man vielfach auf zwei Flügeln oder auf den zwei – zuweilen an verschiedenen Seiten des Flügels angebrachten – Klaviaturen gespielt. Wolfgang empfing durch das Zusammenspiel mit der Schwester die Anregung, beide Spieler an dieselbe Klaviatur zu setzen. Dieso entstandene Kompositionsart gewann rasch Beliebtheit und Verbreitung.
Hier in London bekam Wolfgang auch zum erstenmal die italienische Oper in ihrem Glanze zu hören. Freilich die alte Herrlichkeit, wie sie der gewaltige Händel geschaffen hatte, war längst vorbei. Um so mehr bemühte man sich durch Hinzuziehung einzelner glänzender Virtuosen die Teilnahme zu heben. In diesem Jahre war es der treffliche Sopranist und glänzende Schauspieler Giovanni Manzuoli , der durch Stimme und Vortrag den höchsten Enthusiasmus entfesselte. Bald befreundete er sich mit den Mozarts und gab dem Knaben Unterricht im Gesang. Unter seiner Anweisung und durch das Beispiel anderer hervorragender Sänger wurde das Kind vollendeter Gesangskünstler, wenn natürlich auch die Stimme die eines Knaben war. Das ist von hoher Bedeutung. Wir sehen auch hier wieder, wie ihm alles musikalische Material gleichsam natürlich zu eigen wurde, wie ihm die verschiedensten Formen und Stile aus dem Leben heraus zugingen, und das alles in einem Alter, in dem man noch gar nicht mit einem Erlernten als von außen Überkommenen zu kämpfen hat, sondern wo alles, was man gewinnt, zum natürlichen Eigentum wird.
Die Teilnahme der breiten Öffentlichkeit hielt natürlich auch in London nur so lange vor, wie die beiden Kinder als Sensation wirkten. Man macht sich heute, wo Konzertagenten, Journalisten, Interviewer usw. übereifrig für stets neue Reklame sorgen, nur schwer einen Begriff von der Arbeit, die der Vater Mozart zu leisten hatte, um der Öffentlichkeit immer neue Teilnahme abzugewinnen. So wirkt auch die Anzeige, die er im » Public advertiser « vom 11. Juli 1765 erließ, als kleines Kulturbildchen: »Allen Freunden der Künste! Das größte Wunder, dessen sich Europa, ja die ganze Menschenwelt zu rühmen hat, ist ohne Widerspruch der kleine deutsche Knabe Wolfgang Mozart; ein achtjähriger Junge, der – und wahrhaftig mit größtem Recht – die Bewunderung nicht allein der hervorragendsten Männer Europas, sondern auch der größten Musiker erregt. Es ist schwer zu sagen, was uns in größeres Staunen versetzen muß: sein Spiel auf demHarpsichord oder sein Vom-Blatt-lesen und -singen, oder seine Capriccios und Phantasien, oder seine Kompositionen für jeder Art Instrumente! Der Vater dieses Wunderknaben, der durch den Wunsch verschiedener vornehmer Damen und Herren genötigt ist, seine Abreise von London noch eine kurze Zeit zu verschieben, will eine Gelegenheit geben, daß man den kleinen Komponisten und seine Schwester, deren musikalisches Wissen auch über jedes Lob erhaben ist, noch hören kann. – Vorstellung jeden Tag der Woche von 12-3 Uhr in dem großen Saal des ›Swan and Hoop Hotels‹ in Cornhill. Eintrittsgeld 2 sh. 6 p. pro Person. – (Die beiden Kinder spielen auch vierhändig zusammen auf dem gleichen Harpsichord, und zwar auf von einem Taschentuch bedeckter Klaviatur, so daß sie die Tasten nicht sehen können.)« Der englische Veröffentlicher hat nicht ganz unrecht, wenn er diese Anzeige als »barnumartig« bezeichnet.
Standhafter war die Teilnahme der Fachleute, die vielfach vor allem Wolfgang einer genauen Prüfung unterzogen. Am gewissenhaftesten tat es der Rechtsgelehrte und Naturforscher Daines Barrington , der besonders Wolfgangs Fähigkeit der Improvisation untersuchte. Aus dem ausführlichen Bericht, den Barrington in wissenschaftlicher Form erstattete, ist besonders auffällig, daß diese improvisierten Kompositionen, wenn auch an sich nicht staunenswert,
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