Mozart - Sein Leben und Schaffen
Dagegen wird manauf zahlreiche Zeugnisse stoßen, die eine so ernste, ja feierliche Auffassung des Lebens bekunden, daß wir erkennen, daß seine Fröhlichkeit nicht bloß Lustigkeit, sondern Humor war. Er war voll Güte, voll Wohlwollen und Reinheit in allen seinen Absichten. Darum ist er nie klug gegenüber der Welt geworden. Er glaubte den Menschen, und da er selber kein Übles wollte, hat er nie gelernt zu begreifen, daß gegen ihn auf allen Seiten der Neid Übelwollen gezeugt hatte. Man muß aber hervorheben, daß diese geringe Kenntnis der Menschen keineswegs auf Oberflächlichkeit der Beobachtung oder auf der Unfähigkeit zur Menschenkenntnis beruhte. Er bekundet immer wieder einen außerordentlich scharfen Blick gegen die Schwächen seiner Nebenmenschen, für ihr Gehaben, was freilich bei der Gutmütigkeit seiner Natur fast immer nur ein heiteres Lachen auslöste. Bemerkenswert ist, daß er trotz seiner frühen Erfolge und trotz der vielen Schmeicheleien, die er von allen Seiten erfahren, von Hochmut völlig frei blieb. Wohl aber hatte er ein festes Bewußtsein seines künstlerischen Wertes und die volle Zuversicht auf sein künstlerisches Vermögen. Irgendwelcher Zweifel in dieser Hinsicht: der Gedanke, nicht zum Höchsten in seiner Kunst berufen zu sein; die Furcht, jemals eine künstlerische Absicht nicht in die vollwertige Tat umsehen zu können, ist ihm offenbar niemals gekommen. Darin ist er der reinste Olympier unter allen Künstlern der Weltgeschichte. Scharf ausgebildet war in ihm das Ehrgefühl. Wir werden später erfahren, daß ihn die tiefe Kränkung seiner Ehre sogar zum scharfen Widerstände gegen seinen Vater stärkte.
Wir haben noch die Stellung zu beleuchten, die Mozart als Kunst schöpfer in dieser Zeit einnahm. Durch die einzigartig frühe Entfaltung seiner erstaunlichen Fähigkeiten sind da vielfach falsche Vorstellungen hervorgerufen. Die richtige Beurteilung hat nicht nur geschichtlichen Wert, sondern schärft den Blick für die Eigenart der späteren großen Mozartischen Kunst.
Wäre Wolfgang um diese Zeit gestorben, ja wäre er noch im Lauft des Jahres 1780 gestorben vor der Vollendung des »Idomeneus«, dessen Erstaufführung (29. Januar 1781) mit dem Abschlußdes 25. Lebensjahres unseres Mozart zusammenfiel, so hätte die Musikgeschichte nur von begrabenen Hoffnungen zu berichten. Die Musikgeschichte müßte sich eben an die vorhandenen Werke halten. Bleiben würde natürlich die Wundergeschichte dieser einzigartigen Kindheit und Jünglingszeit, dieser wunderbaren Entfaltung unvergleichlicher Gaben. Aber man könnte nicht behaupten, daß in diesem Falle durch den 25 Jahre alt gewordenen Mozart unser Besitz an Musik eine wirkliche Bereicherung an durchaus neuen oder selbständigen oder über das Vorhandene hinausragenden Werten empfangen hätte. Nehmen wir im Vergleich dazu unter den gleichzeitigen Künstlern Goethe und Schiller, so hatte der erstere als 25jähriger nicht nur in der Lyrik ganz neue Töne angeschlagen, sondern auch in »Götz« (1773) und »Werther« (1774) der Weltliteratur zuvor unbekannte Werte geschenkt; auch Schiller steht in diesem Alter mit den »Räubern« (1781) und »Kabale und Liebe« (1784) als durchaus eigenartiger Charakterkopf und Bereicherer der gesamten Kunst vor uns. Ich führe das natürlich nicht an, um Mozarts Ruhm zu verkleinern, sondern um auf die andere Artung seines Schaffens aufmerksam zu machen. Wir haben die gleiche Erscheinung bei Raffael. Während er schneller als irgend ein anderer höchste künstlerische Gewandtheit errungen hatte, schuf er später als ein Michelangelo ganz persönliche Werte. Auch den 25jährigen Raffael hätte man als wunderbar früh vollendete Zierde der Schule von Perugia feiern können; dagegen wäre in seinen an sich sehr schönen Bildern bis zu dieser Zeit das charakteristisch Raffaelsche nur in Einzelheiten, gewissermaßen als Ankündigung nachweisbar. Dabei sind diese Jünglingswerke Mozarts und Raffaels an sich vollkommen oder doch wenigstens von Auswüchsen und sichtbaren Mängeln freier, als die der andern erwähnten Künstler.
Die Erklärung gibt Goethes Urteil über Raffael, daß er als der endgültige, notwendige Abschluß einer langsam ansteigenden Pyramide, als deren Krönung erscheine. Zweierlei ist klar: erstens daß dieser Abschluß nicht im Widerspruch steht zum vorangehenden, keinen Gegensatz dazu in sich trägt, sondern eben die Krönung ist; zweitensdaß man erst nach Vollendung der Pyramide
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