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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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ganze Kraft auf die Aussprache des Besonderen im vorliegenden Falle zu verlegen.
    In dieser Fähigkeit des Auskostens, des Vertiefens einer ganz subjektiven, nur für diesen Einzelfall völlig zutreffenden Empfindung innerhalb einer Form, die jeden in die Richtung dieser Empfindung einstellt, so daß er für sie besonders empfänglich wird, liegt der eigenartige Zauber des Empfindungsausdrucks, den wir als mozartisch bezeichnen. Die Schönheit der Linienführung innerhalb des Umrisses, die wunderbare Klarheit im Maßhalten, so daß die verschiedenen Teile sich für den ersten Blick wieder zum Ganzen gestalten, tritt hinzu, um diesen Zauber zu erhöhen. Aber diese letzterdings mehr formalen Vorzüge sind nicht so charakteristisch über die Leistungen seiner Vorgänger und Zeitgenossen erhaben, daß sie allein ihm die einzigartige Sonderstellung einzuräumen vermöchten; auch alle Mozartepigonen, die doch diese formale Gestaltung ihm ganz genau abgeguckt haben, wirken leer und unwahr. Nein, bei Mozart ist die Form nur deshalb so unvergleichlich schön, weil sie ganz Inhalt ist, weil sie durch den Inhalt neu auflebt, in diesem Augenblicke für diesen Inhalt neu entstanden ist.
    ~ ~ ~
    Die Werke, die Mozart bis zu dieser Zeit geschaffen, haben nur geschichtlichen Wert. Sie teilen damit das Schicksal der ganzen damaligen Musik, innerhalb derer sie sich, wie ja auch schon die Erzählung des Lebensganges wiederholt betonen konnte, mit Ehren behaupteten.
    Im Gesamtwerke Mozarts wirkt aus dieser Zeit am bedeutsamsten die Kirchenmusik , weil sein dem Anfang nach sehr beträchtliches Schaffen auf kirchlichem Gebiete fast ausschließlich in die letzten Salzburger Jahre fällt. So ist hier der geeignete Ort, der Frage
    Mozart und die Kirchenmusik
    näherzutreten. Zwanzig Messen, mehrere Litaneien und Vespern, daneben zahlreiche Hymnen, Psalmen, Offertorien und Motetten sind in dieser Zeit entstanden. Später hat er nur noch zweimal für Kirchenmusikgearbeitet: das »Ave verum« und das »Requiem«, Werke von tiefster persönlicher Frömmigkeit und reichem religiösem Gehalt. Sie fallen in die letzte Lebenszeit und bilden auf diesem Gebiete die natürliche Krönung seines Schaffens aus den Jünglingsjahren. Der Geist darin ist derselbe wie früher, wenn auch dem Manne natürlich höhere Würdigkeit und tieferer Lebensernst eignet als dem Jüngling.
    Die tiefe Herzensanteilnahme, mit der er als reifer Meister diese beiden kirchlichen Werke schuf, sollte seine Schöpfungen aus der früheren Zeit wenigstens vor dem einen Vorwurf bewahren, daß sie ihm nicht künstlerische Herzensangelegenheit, daß sie für ihn Zwangsarbeit gewesen seien. Das ist nicht der Fall. Wir haben oben ausgeführt, wie sehr in früherer Zeit der Musiker auch von der äußeren Gelegenheit abhing. Und so kam es ganz natürlich, daß Mozart, der später zu kirchenmusikalischen Arbeiten nicht aufgefordert wurde, keine solchen schuf, während er als Konzertmeister und Hofkomponist des Salzburger Erzbischofs fast jedes kirchliche Fest mit neuen Kompositionen zu verherrlichen hatte. Schlimmer wirkte das Äußere dieser Gelegenheit, die musikalischen Verhältnisse an sich. Sie empfand Mozart selber schmerzlich, wie aus dem Briefe vom 4. September 1776 an Padre Martini hervorgeht: »Unsere Kirchenmusik ist sehr verschieden von der in Italien und wird es immer mehr. Eine Messe mit dem Kyrie, Gloria, Credo , der Sonata zur Epistel, dem Offertorium oder Motetto, Sanctus und agnus dei , auch die feierlichste, wenn der Erzbischof selbst das Hochamt hält, darf nicht länger dauern als höchstens drei Viertelstunden. Tiefe Art von Kompositionen verlangt ein eigenes Studium. Und dabei muß es eine Messe mit allen Instrumenten, Trompeten und Pauken usw. sein.« Also Zwang zur Kürze, Verhinderung der Ausbildung großer Formen und dennoch Prunk. Der Widerspruch liegt im letzteren. Sonst hätte gerade für jene Zeit der Kirchenmusik der Zwang zur Kürze nur nutzen können. Aber der Erzbischof hatte einen durchaus verwelschten und weltlichen Geschmack, den Hang zur Opernhaftigkeit. Gegenüber diesen Verhältnissen konnte ein Jüngling um so weniger sich auflehnen, als sie von der ganzen Zeitstimmung gestützt wurden.
    Die katholische Kirchenmusik ist seit mehreren Jahrzehnten ein Problem. Im Anschluß an die Bewegung der literarischen Romantik, die für die deutsche Dichtung im Gegensatz zu den Kräften der Antike die des christlichen Mittelalters aufrief, entwickelte sich auch

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