Mozart - Sein Leben und Schaffen
der Steigerung der Arbeitsleistung ein pädagogischesMeisterstück ist. Wahrlich, Wolfgang hatte ein Recht zu seinem Ausspruch: »Nach Gott kommt gleich der Papa.« Er hat dem Vater durch kindliche Liebe und eine rührende Ergebenheit und Anhänglichkeit sein Erzieherwerk auch menschlich gelohnt. Die Kunstgeschichte hat kein zweites Mal von einem so innigen Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu berichten wie hier.
Als des Vaters größtes Verdienst wird man anerkennen, daß er die Einseitigkeit einer nur musikalischen Ausbildung zu vermeiden verstand. So geschickt er alle Einflüsse fernzuhalten wußte, die das leicht erregbare Gemüt des Sohnes von dem hohen künstlerischen Ziel hätten ablenken können, so wenig wollte er eine musikalische Treibhauspflanze heranziehen oder gar einen engbegrenzten Spezialisten. Die frühen Erfolge in der Oper, die doch zuerst einen äußeren Gewinn versprachen, bewogen ihn keineswegs, nun etwa alle Kräfte auf die Ausbildung dieser dramatischen Begabung seines Kindes zu verwenden; vielmehr haben wir eher das Gefühl, daß er nach jedem Erfolge auf einem Felde an die Bearbeitung und Eroberung der anderen, noch nicht so fleißig bebauten Gebiete der Musik dachte. So war nun erreicht, daß der 21jährige Jüngling als Musiker in einer Allseitigkeit dastand, zu der es kaum Gegenbeispiele gibt. Er hatte in der ernsten und in der komischen Oper sich bewährt; er hatte Oratorien und Gelegenheitsmusiken für weltliche Feste geschaffen; auf den verschiedensten Gebieten der Kirchenmusik lagen bedeutende Arbeiten vor; die orchestralen Möglichkeiten der damaligen Musik waren ebenso ausgenutzt wie die der Kammermusik. Neben diesen Sinfonien, Serenaden und dergleichen stehen zahlreiche Konzerte und Stücke für Klavier, Geige und Orgel; aber auch für andere Instrumente hatte er, wo sich das Bedürfnis einstellte, geschaffen. Wolfgang hatte ferner als Knabe eine vollständige gesangliche Ausbildung sich zu eigen gemacht und hatte sich auch nachher, als er die Stimme wechselte, so weitergebildet, daß er in allen Fragen der menschlichen Stimmbildung als Fachmann entscheiden konnte, eine Eigenschaft, die unseren heutigen Opernkomponisten, ja sogar den meisten Liederkomponisten in so hohem Maße abgeht, daß sie es kaum mehr verstehen, für die Singstimmewirklich dankbar zu schreiben. Außerdem aber war Wolfgang vollkommener Virtuose auf dem Klavier, der Geige und der Orgel. Die Naturanlage der Improvisationsfähigkeit hatte er aufs glänzendste ausgebildet durch eine Kenntnis aller musikalischen Formen, die ihm diese so zu eigen machte, daß formale Schwierigkeiten für ihn nicht vorhanden waren, daß vielmehr alle musikalische Form bei ihm ebenso natürlich als Ausdrucksmittel eines innerlich Lebendigen wirkt wie die Beherrschung des Wortes und der Sprache beim Dichter. Also es war nicht der Ton an sich, der ihm Ausdrucksmittel war, sondern bereits eine Form, und das ist es, was ihn davor bewahrte, jemals zu formalen Zwecken zu schaffen. Es ist wie in der Sprachmusik Goethes, die ihm Verse und Reime so natürlich zuführte, daß sie ihm niemals Zweck des Dichtens, sondern immer nur Mittel zum Ausdruck waren.
Über dieser einzigartigen Ausbildung der künstlerischen Fähigkeiten war die geistige nicht versäumt worden. Wir sind darüber im einzelnen nicht genau unterrichtet. Es ist ja klar, daß in den Briefen zwischen Vater und Sohn, die für alle diese Dinge unsere wichtigsten Quellen sind, fast nur von Musik geredet wird, weil es doch darauf ankam. Da Mozart ferner keine Schule besucht hat, können wir auch nicht daraus auf die Art seines Bildungsganges schließen, sondern wir müssen uns, wie ja eigentlich auch in der Musik, an die Ergebnisse halten. Sein Lehrer war auch hier vor allem der Vater. Daß dieser durch seine geistige Bildung weit über den Durchschnitt hinausragte, daß er vor allem über ein bei den Berufsmusikern jener Zeit kaum wieder anzutreffendes Wissen verfügte, haben wir schon wiederholt betont. Sein eigener Studiengang, der ihn ja zum Juristen hatte ausbilden sollen, hatte dazu beigetragen; dann aber blieb er dauernd von stärkster Teilnahme für alle Fragen des Wissens und des Lebens erfüllt. So war also der Umgang mit dem Vater selber bereits ein vorzüglicher Unterricht. Offenbar hat Wolfgang auf diesem Gebiete ebenso leicht gelernt wie in der Musik. Die französische und italienische Sprache hat er vollkommen beherrscht. Das Lateinische hat er sich schnell und
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