Mozart - Sein Leben und Schaffen
leicht zu eigen gemacht. Wieschnell er noch in späteren Jahren lernte, zeigt eine Mitteilung in einem späteren Briefe (17. August 1782), daß er jetzt eifrig Englisch treibe und hoffe, in drei Monaten die engländischen Bücher leicht lesen und verstehen zu können; das alles in der Überfülle der Arbeit der Wiener Jahre. Wenn – wie Goethe meinte – Reisen einen empfänglichen Menschen überhaupt am besten bilden, so mußte Wolfgang mit seiner außerordentlich lebhaften Sinnlichkeit um so besseren Gewinn davon haben, als er auf ihnen fast nur mit den gebildetsten und anregendsten Menschen in Verkehr kam. Als besondere Neigung ist uns aus seiner Jugendzeit die Freude an der Mathematik überliefert. Ich habe schon in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen. (Vgl. S. 112.) Übrigens hat sich auch Richard Wagner über Mozarts »enorme Begabung für Arithmetik« in seiner Schrift »Über das Dirigieren« ausgesprochen. Er stellt dabei Mozart in Gegensatz zu Beethoven mit seiner umständlichen Art sich bei den einfachsten Rechnungen zu helfen. Beethoven »erscheint als ein monstrum per excessum nach der Seite der Sensibilität hin, welche durch ein intellektuales Gegengewicht von der Seite der Arithmetik her nicht fixiert war.« Deshalb ist an seiner Musik auch nichts mehr durch Zahlen zu messen. »In Mozart dagegen begegneten sich die Extreme der Musik« – das rein mathematische Hören, die arithmetische Regelmäßigkeit der Formung und die höchste Empfindungstätigkeit – so ganz unmittelbar, daß sie zu einem so wundervollen Gemeinwesen sich ergänzten. Dagegen findet Wagner, daß die Mehrzahl der Dirigenten, gegen die seine Schrift gerichtet ist, »Monstruositäten nach der Seite der reinen musikalischen Arithmetik hin« sind.
Für die gesamte geistige Ausbildung Mozarts legen seine Briefe ein sehr günstiges Zeugnis ab. Man hat ihnen gegenüber stets das Gefühl der Äußerungen eines gebildeten Mannes. Zu tiefsinnigen Bekenntnissen ist bei der Tatsache, daß weitaus die größte Zahl an den Vater gerichtet ist, keine Veranlassung. Am allerwenigsten hat er da Veranlassung, über sein Verhältnis zur Kunst zu sprechen, denn das war dem Vater ja ebenso vertraut wie ihm selber. Man muß sich also mehr an gelegentliche Äußerungen halten. Die aberzeigen uns einen Künstler, der immer auf das Wesen der Dinge seinen Blick richtet, dem alle Äußerlichkeit, sei sie noch so glänzend, keinerlei Eindruck zu machen imstande ist. Sein Urteil ist scharf und klar, beruht niemals bloß auf Gefühlsempfindung, sondern wird deutlich begründet. Die Briefe zeigen einen Mann, dem es leicht fällt, seine Gedanken in gewinnende Form zu bringen. Stilistische Meisterleistungen zu versuchen hat ihm natürlich ferngelegen, um so mehr, als er in den Familienbriefen am liebsten den leichten Unterhaltungston der häuslichen Umgangssprache anschlug. Bis in verhältnismäßig späte Lebensjahre hinein, ja eigentlich durchs ganze Leben bleibt ihm in diesen Briefen die Freude an einer Spielerei mit Wortverdrehungen und dergleichen, die leicht den Eindruck des Läppischen machen kann, die wir aber zu jenen Äußerungen zu rechnen haben, in denen sich sein körperliches Sein gewissermaßen ein Gegengewicht gegen die verzehrende künstlerische Tätigkeit schuf. Manche sehr derben, ja unschicklichen Ausdrücke in seinen Briefen kann man nur aus dem Charakter der Zeit richtig beurteilen. Diese sah in Wortwendungen nichts, die uns aufs peinlichste berühren können. Wir erfahren ja immer wieder, wie fein empfindend seine Natur überall dort war, wo es sich um Wesentliches handelte.
Auf der Höhe der geistigen und körperlichen Ausbildung stand auch die des Menschen . Wolfgang ist das Kind einer Zeit, in der zum charaktermörderischen Despotismus eine alle gesunde Anschauung verseuchende Unsittlichkeit die höchsten wie die untersten Volksschichten erfaßt hatte. Da ist zunächst festzuhalten, daß er jetzt als sittlich reiner, unschuldiger Jüngling in die Welt hinausging. Was mehr bedeutete, war, daß er eine kernhafte Auffassung von Sittlichkeit mitnahm, die ihn gegenüber den gemeinen Erscheinungen des Lebens nicht blind, noch selbstgerecht machte, die ihm aber die sichere Haltung ihnen gegenüber gab.
Mozarts ganzes Wesen war kindliche Frohnatur. Aber dieser frohe Mut wuchs aus einem ernsten Untergrund heraus. Man wird in seinen Briefen vergeblich nach einer Stelle suchen, in der er eine ernste Angelegenheit scherzhaft behandelt hätte.
Weitere Kostenlose Bücher