Mozart - Sein Leben und Schaffen
der gesamten Welt kaum etwas sah, wenn er in seine schöpferische Tätigkeit eingebannt war; er wußte auch, daß jede Gelegenheit zu künstlerischen Leistungen den Sohn alle anderen, mühselig errungenen oder sorgfältig vorbereiteten Vorteile preisgeben ließ. Aus diesen Gründen hatte er immer zum Ausharren in Salzburg gemahnt. Diese Jahre waren ja für die Gesamtentwicklung seines Sohnes nicht verloren. Es wurde nicht nurdie technische Ausbildung nach allen Seiten hin aufs höchste gesteigert, sondern auch ein großer Vorrat von Kompositionen angelegt, der für die längste Reihe von Konzerten ausreichen konnte. Erst als nun in jeder Hinsicht die Zeit gekommen, als die Gefahr aufs höchste gestiegen war, daß die Welt den Virtuosen und Komponisten Mozart, von dem sie nichts mehr hörte, vergessen würde, reichten Vater und Sohn beim Erzbischof ein Gesuch um Urlaub zu einer Kunstreise ein. Es wurde ihnen rundweg abgeschlagen. Der Erzbischof erklärte, er könne es nicht leiden, wenn seine Leute »so ins Betteln herumreisten«. Die Bitte um Gehaltserhöhung schlug er aber ebenfalls ab.
Da endlich blieb kein anderer Ausweg mehr übrig, und Wolfgang Mozart reichte, vermutlich im August 1777, sein Entlassungsgesuch ein. So unterwürfig der Ton im Kanzleistil der damaligen Zeit gehalten ist, es klingt doch die tiefe Erbitterung durch, und überdies mochte der Erzbischof sehr gut die spitzige Feder des kaustischen Vaters spüren. Eigenhändig schrieb er in zorniger Entrüstung, daß man es derartig wagte, ihm den Stuhl vor die Tür zu setzen, den Erlaß, »daß Vater und Sohn nach dem Evangelio die Erlaubnis haben, ihr Glück weiter zu suchen«. Die Entlassung des Vaters freilich blieb unausgeführt. Mit seiner Klugheit hat er zwei Jahre später ja sogar dem Sohne wieder die Wege in die erzbischöflichen Dienste geebnet. Das erschien dem Vater wenigstens damals als klug, und der Sohn fand sich schließlich in dem Gedanken darein, daß er wieder mit seinen Lieben zu Hause zusammen sein konnte.
Jetzt aber hatte er nur ein Gefühl, das der endlichen Befreiung; und mit stolzen Hoffnungen zog er in die Welt, sein Glück zu machen. Er hat es nicht gefunden. Er war so reich beglückt im Innern durch die Wundergabe, die ihm verliehen, und durch das herrlichste Gemüt, das ihn die Welt immer von ihrer besten Seite nehmen ließ, daß es das Menschliche überschritten hätte, wenn ihm auch noch ein Gelingen im äußeren Leben beschieden gewesen wäre.
6. Ergebnisse
Dieser Abschied von Salzburg bedeutete gleichzeitig den Eintritt in ein selbständiges Leben. Die ganze Art, wie der Abschied aus dem erzbischöflichen Dienste sich vollzog, wirkt auch wie ein äußerer Abschluß der Jünglingsjahre. Zum erstenmal zieht Wolfgang ohne den Vater hinaus in die Welt. Zwar begleitet ihn die Mutter, aber sie konnte doch höchstens auf seine äußere Wohlfahrt achten. Wolfgang tritt jetzt selbständig der Welt gegenüber. Die Zeit ist vorbei, in der er mit den Wirkungen des Eindrucks seiner außerordentlichen Frühreife rechnen konnte. Die Welt, die so leicht durch eine oft künstlich gezüchtete Wunderkindschaft sich blenden läßt, hat kein Auge für die wunderbar harmonische Schönheit eines Wundermannes. Ja Mozart mußte, wenn er jetzt ins Leben trat, eher damit rechnen, daß ihm die Erinnerung an seine Wunderkindschaft schadete, um so mehr als er körperlich allzu jugendlich aussah, seine gesamte Erscheinung jedenfalls nicht den Anspruch unterstützen konnte, den seine Kunst mit vollem Recht erhob: als Werk eines Mannes gewertet zu werden. Mir scheint, daß man diesen Umstand beim Mißlingen der aufs äußere Leben gerichteten Pläne Mozarts allzu wenig berücksichtigt.
Hier ist es nun an der Zeit, einen Blick auf die wunderbare, bis heute in der Kunstgeschichte einzig dastehende Jugendentwicklung Wolfgang Mozarts zurückzuwerfen und die Ergebnisse seiner bisherigen Künstlerlaufbahn zusammenzufassen.
Die Erziehung des trefflichen Vaters hatte sich herrlich bewährt. Er durfte an der wunderbar harmonischen und schönen Entwicklung seines Sohnes das Hauptverdienst beanspruchen. Denn so gewiß die Veranlagung ein unberechenbares Himmelsgeschenk ist, die Entwicklung dieser Gaben zu ihrer jetzigen Blüte war nur durch diese Erziehung möglich gewesen, die in klarer Einsicht der Ziele, in ruhiger Festigkeit der Führung, in liebevoller Warmherzigkeit der Behandlung und in der weisen Zuführung der geistigen und seelischen Nahrung, wie in
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