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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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sich Stehendes gegenübertreten, das an sich keine Bedeutung und keinen Inhalt hat, sondern ihn erst bekommen soll, dann werden wir die Wahl einer solchen fertigen Form für einen nicht auf demselben Boden gewachsenen Inhalt als Zwang und unter Umständen als Lüge empfinden. Dagegen hat es immer Zeiten gegeben, in denen die Menschheit im höchsten Maße formbegabt war, in denen sie für die verschiedensten Lebensempfindungen und Lebensbetätigungen eine Art der Aussprache fand, die allen als zutreffend erschien. Solche Zeitalter sind die Antike für Plastik und Literatur, die Periode des Rittertums für das äußere Lebensgehaben und die ganze Art des Verkehrs. War ja das Rittertum doch selber das Ideal einer Formengebung für Weltanschauung. Für solche Zeitalter hat denn auch die Form an sich bereits Inhalt. Sie ist selber schon Ausdruck. Für die Musik ist die Blütezeit solcher Formenbildung das 17. und 18. Jahrhundert. Die Anfänge der Instrumentalmusik zeigen eine fast unübersehbare Zahl von Formen. Wir sind heute oft gar nicht mehr imstande, die Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Formen festzustellen. Es muß aber doch damals den Komponisten ganz deutlich gewesen sein, weshalb sie die verschiedenartigen Bezeichnungen für diese uns so gleichförmig erscheinenden Tonstücke wählten.
    Mozart steht am Ende dieser Periode; man kann ihn auch gleichzeitig als den Höhepunkt derselben bezeichnen. Der Unterschied gegenüber einem Raffael beruht nur in der germanischen Universalität Mozarts. Die Musik hatte vorher nicht einen einzelnen Berg gebildet, der der Gipfelkrönung bedurfte, sondern es standen mehrere Berge getrennt nebeneinander; in den Basen waren sie vereinigt, aber sie strebten nach verschiedenen Richtungen. Mozart umfaßt, wenigstens soweit das formale Leben in Betracht kommt, alle diese scheinbar widerstrebenden Elemente; er zwingt das bereits Getrennte durch die Einheit seiner Person wieder zusammen und schafft einen Gipfel, in den nicht nur alle münden, sondern auch jeder für sich seine Krone findet. Bei Mozart haben wir in der ganzen Musikgeschichte das glänzendste Beispiel dafür, daß die Form an sich bereitsAusdruck ist. Wenn Otto Jahn in seiner Biographie bemerkt, daß »Mozart die außerordentliche Leichtigkeit seiner Erfindung eine gegebene Form nie als lästige Beengung erscheinen ließ«, daß es ihm deshalb nicht in den Sinn kam, »an den bis ins geringste Detail der Form und Technik feststehenden Satzungen zu rütteln«, so ist diese Auffassung bereits aus unserer Anschauung heraus und nicht aus geschichtlicher Sehweise entstanden. Denn ihr zugrunde liegt das Gefühl, daß durch dieses Gegebene der Form ein Konflikt zwischen Form und Inhalt sich eingestellt hätte, wenn Mozart nicht so über diese Fülle der Erfindung verfügt hätte. Es ist doch aber klar, daß auch die bedeutendste Erfindungsgabe in einer gegebenen Form für einen bestimmten Inhalt nur einen notdürftigen Ausdruck würde schaffen können, wenn der betreffende Erfinder, d. i. Schöpfer, das Gefühl haben müßte, daß sein Empfinden so subjektiv sei, daß ein anderer dafür die Ausdrucksweise nicht schaffen könne. Dem war aber bei Mozart nicht so. Mozart steht so sehr in der Zeit, die diese Form als echtes Ausdrucksmittel eines bestimmten künstlerischen Empfindens geschaffen hatte, daß er niemals die Form im Ganzen als Widerspruch empfindet. Man wird seine sämtlichen Briefe umsonst nach einer Äußerung durchsuchen, in der er eine bestimmte Form als Zwang oder als unpassend bezeichnet hätte. Dagegen zeigen seine Werke hundert Stellen, an denen er innerhalb der betreffenden Form Einzelheiten verschiebt, weil sie ihm der Wahrheit des Ausdrucks nicht gemäß erscheinen. Gerade die Tatsache, daß er in allen Einzelheiten , bei der Oper z. B., so sehr auf die Wahrheit des Ausdrucks bedacht war, daß er alles so scharf und kritisch empfand, was dieser Wahrheit widersprach, bezeugt, daß die Formen als Ganzes ihm niemals als Zwang oder Unwahrheit zum Bewußtsein gekommen sind. Sonst hätte er sie ganz sicher abgelehnt, hätte er neue geschaffen. Aber er empfindet im Gegenteil alle diese Formen bereits als Ausdruck, und sie sind ihm die Grundlage des Ausdrucks einer Situation, eines Charakters, einer Empfindung. Deshalb bewegt er sich auch mit dieser außerordentlichen Freiheit im einzelnen innerhalb der weiten Umgrenzung und vermag, gerade weil der allgemeine Grundcharakterbereits durch die Form gegeben ist, die

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