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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Ave-Maria für das Seelenheil meines Vaters und schlug das Buch auf.
    Franz Xaver Wolfgang Mozart
Salzburg, 9. Oktober 1829

1
Dezember 1791
St. Gilgen bei Salzburg

    Als ich von der Frühmesse in St. Aegidius zurückkehrte, verhüllte Schnee den Gipfel des Zwölferhorns und ließ das Dorf in weißes Schweigen sinken. Als ich mich durch den Garten am Seeufer der Tür näherte, hörte ich, wie der kleine Leopold eins der Menuette meines Bruders auf dem Klavier klimperte. Dass die Musik der einzige Laut dieses Morgens am Wolfgangsee sein würde, ließ mich lächeln. Außer der unverzichtbaren Musik, die mich mit meinem lieben Wolfgang verband, dämpfte der Schneefall jedes Geräusch. Ich fragte mich, ob er wohl in diesem Moment zusah, wie das gleiche sanfte Schneetreiben die Straßen Wiens einhüllte.
    In der Diele nahm Lenerl mir den Pelz ab und händigte mir einen Brief aus, den der Amtmann des Dorfs, der am gestrigen Abend spät aus Salzburg zurückgekehrt war, zugestellt hatte. Ich orderte eine heiße Schokolade und zog mir einen Sessel dicht vor den Kamin im Wohnzimmer. Ich sah zu, wie sich der Schnee zwischen den Fensterrahmen sammelte, und musste lächeln, wenn der Junge im Salon einen falschen Ton anschlug.
    Der kleine Leopold war jedoch kaum für die verstimmte Melodie verantwortlich. Das Klavier klang schon schlecht genug, wenn ich darauf spielte. Kälte und Feuchtigkeit der Bergseen des Salzkammerguts hatten das Holz des Instruments verzogen, die Tastatur verklemmt und die Kappen der Hammerköpfeschimmeln lassen, sodass ein sauberer Ton ohnehin eine Rarität war. In der Hoffnung, mir damit eine Freude zu machen, verbrachte der Junge trotzdem täglich eine Stunde am Klavier.
    Um ehrlich zu sein, gefiel es mir, dass mein Sohn nur so gut spielte, wie es von einem Sechsjährigen zu erwarten war. Mein Bruder hatte mit sechs Jahren natürlich schon seinen ersten Tanz komponiert, und es war der Wunsch meines verstorbenen Vaters gewesen, das Wunderkind in meinem Erstgeborenen wieder auferstehen zu sehen. Doch war das nie meine Absicht gewesen. Im Lauf der Zeit hatte ich es als ärgerlich empfunden, dass mein wahres Glück einzig darin bestehen sollte, am Klavier zu sitzen. Selbst wenn ich mit Freunden Karten spielte oder mit einer Pistole auf Zielscheiben schoss, durchliefen die Finger meiner freien Hand ein imaginäres Arpeggio, weil ich sonst abgelenkt und reizbar gewesen wäre. Der Fluch des Künstlers besteht darin, dass man seine ganzen Fähigkeiten ausschließlich seiner Kunst widmet. Freunde und Familie durchkämmen die Oberfläche deiner Existenz wie ein Fischer auf dem Abersee, doch dein wahres Selbst ist ihnen so unzugänglich wie die Tiefen des Sees. Aber ich lebte schon längst nicht mehr das Leben einer Künstlerin und empfand diese Obsession manchmal eher so, wie ein Krüppel seinen nutzlos gewordenen Fuß spürt.
    Ich klopfte rhythmisch auf den Brief, der in meinem Schoß lag. Vielleicht enthielt er Nachrichten von meinem Bruder. Im Winter war es schwierig, über das, was sich jenseits des eingeschneiten Dorfs ereignete, auf dem Laufenden zu bleiben. Die aktuellste Zeitung, die uns erreicht hatte, berichtete, dass eine neue Oper Wolfgangs zur Aufführung gelangen sollte. Aus Wien zurückkehrende Bekannte erzählten mir, dass es um seine Gesundheit nicht zum Besten stehe. Er war häufig krank, und so wünschte ich mir sehr, aus diesem BriefKunde von seiner Genesung zu erhalten. Die Handschrift kam mir sehr vertraut vor.
    An Madame höchstpersönlich
    Madame Maria Anna Berchtold von Sonnenburg
    Wohnhaft im Haus des Präfekten
    St. Gilgen
    bei Salzburg
    Ich las meinen Namen wie den einer Fremden. Eine Ansammlung von Familiennamen, erworben durch die Ehe mit dem Mann, der im Arbeitszimmer gegenüber der Diele einsam an seiner Buchhaltung arbeitete. Diese Dinge, die mich eigentlich hervorheben sollten, trugen lediglich dazu bei, mich anonym werden zu lassen. Bevor Berchtold mich in dieses abgelegene Dorf gebracht hatte – und damit auch noch eine geografische Anonymität hinzufügte –, hatte ich einen Namen, den jedermann kannte und den ich, ich gebe es zu, in solch ungestörten Momenten vor dem Kamin immer noch auf mich bezog.
    Mozart.
    Die Erinnerung an diesen Namen tönte in meinem Kopf wie ein Traum. Das weiche Z und das stumme T, mit dem die Franzosen ihn ausgesprochen hatten, als wir in Versailles den Salon Louis XV. betraten. Das lang gezogene, englische A, das ich aus dem Mund des

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