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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Kärntnerstraße, bis ich sie anzischte, sie solle im Gasthof auf mich warten.
    Sogleich tat mir mein Ausbruch leid. Mein Dienstmädchen würde mir ja wohl kaum nachspionieren. Doch hatte die Verschwörungim Umkreis meines toten Bruders derartige Auswüchse angenommen, dass es sogar in meinem Zimmer einen Zuträger geben konnte. Es war schon schlimm genug, dass mich noch vor Morgengrauen der Polizeiminister aufgesucht hatte, um mich zu warnen – oder vielleicht auch, um mich als Agentin zu gewinnen. Ich war mir unsicher. Aber Pergen hatte in mir Zweifel an denjenigen gesät, denen ich wie Lenerl vertraute, und so begann ich nun selbst, diejenigen zu verdächtigen, die Wolfgang besonders nahegestanden hatten.
    Mittags aß ich im Hof zur
Blauen Flasche
am Schlosserplatz. Das Lokal war groß und laut. Ein rotwangiger Kellner mit blassen, dicken Armen stellte einen Laib Brot auf den Tisch. Ich knabberte daran herum, aß aber kaum etwas von der anschließend gereichten Suppe oder dem Rindfleisch. Ich muss einen derart trübsinnigen Eindruck gemacht haben, dass mir der Kellner noch ein Glas Tokajer brachte, nachdem ich bereits acht Kreuzer für das Essen auf den Tisch gelegt hatte.
    «Der geht aufs Haus, Madame», sagte er.
    «Das ist sehr liebenswürdig, mein Herr.»
    «Er wird Sie erwärmen.» Er lächelte. «Obwohl ich annehme, dass Sie an Kälte gewöhnt sind. Sie kommen doch wohl aus Salzburg, nicht wahr?»
    Ich hätte nie gedacht, dass ich den Akzent meiner Gegend sprach. Vielleicht hatten die Jahre im Dorf die hinterwäldlerische Sprache Salzburgs, in der ich mich mit Wolfgang nur aus Jux unterhalten hatte, zu meiner wirklichen Diktion werden lassen. «Das stimmt», sagte ich.
    «Heimweh, nehme ich an.»
    «Zweifellos.»
    «Trotzdem gibt es in Wien noch viel zu sehen, bevor Sie abreisen.» Er deutete mit seinem teigigem Finger aus dem Fenster.
    Ich folgte seiner Geste und erblickte in der Platzmitte einen wuchtigen Pfosten, um den ein schweres Vorhängeschloss hing.
    «Was ist das?», fragte ich.
    «Vor ein paar hundert Jahren hat ein Schlosserlehrling dem Teufel seine Seele verkauft, um ein Schloss schmieden zu können, das von niemandem geöffnet werden konnte. Sein Meister ließ ihn ziehen, weil er sich als guter Handwerker erwiesen hatte. Aber dann hat ihn der Teufel geholt und ist mit seiner Seele zur Hölle gefahren.»
    «Eine höchst moralische Mahnung für die Öffentlichkeit.»
    «Lehrlinge schlagen Nägel in den Pfosten, um an den Burschen, der seine Seele verkaufte, zu erinnern.»
    Ich nippte am Tokajer. «Oder um an den Teufel zu erinnern.»
    «Mag sein», sagte er. Sein Lächeln verschwand. Er strich die Kreuzer vom Tisch ein und strich sich über sein blondes Haar.
    Auf dem Graben war die Luft rein. Pergen hatte versucht, mein Bild von Swieten zu unterminieren, indem er seine Mitgliedschaft bei den Freimaurern und seine Beziehung zum Berliner Hof erwähnt hatte. Auf der Suche nach Trost und Sicherheit musste ich dennoch an den Baron denken. Seit ich ihn zuletzt gesehen hatte, waren mir stundenlang nur Gefahr, Bedrohung und mysteriöse Dinge begegnet. Ich dachte daran, wie er mich vor meinem Auftritt in der Akademie der Wissenschaften beruhigt hatte – wortlos, durch ein Kopfnicken und ein vertrauensvolles Lächeln.
    Ich ging am Kohlmarkt entlang zur Hofburg. Je näher ich Swieten kam, desto heller schien die Nachmittagssonne, bis mir schließlich die kaiserliche Bibliothek mit ihren weiß schimmernden Mauern ins Auge fiel.
    Während ich die gewundene Marmortreppe hinaufstieg, hörte ich eine einzelne Violine. Ich blieb vor der Tür zumgroßen Bibliothekssaal stehen und lauschte. Es war ein Solo von Wolfgangs Lieblingskomponisten, des Leipziger Meisters Johann Sebastian Bach.
    Baron Swieten stand mit einer Geige unterm Kinn mitten in der Bibliothek. Die hohe Kuppel schien seine Körpergröße noch zu betonen. Mit geschlossenen Augen wiegte er sich auf seinen langen, eleganten Beinen im Takt der Musik.
    Strafinger bemerkte mich von der Galerie aus. Der Bibliothekar deutete eine Verbeugung an und ging zur Kuppel. Strafinger räusperte sich, als Swieten mit seinem Stück fertig war, und deutete mit einem Kopfnicken zur Tür. Die Violine immer noch am Hals, drehte Swieten sich um.
    Ich applaudierte lächelnd.
    Der Baron legte das Instrument auf einem Bücherstapel ab und griff nach seinem Rock. Auf mich zukommend, zog er ihn sich über seine breiten Schultern.
    «Ich spiele gern an dieser Stelle», sagte

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