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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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nach Preußen beteiligt war …»
    «Eine Mission?» Seine Augen wurden schmaler.
    Ich lehnte mich wieder über die Balustrade, und grelle Farben überfluteten mein Gesichtsfeld. Ich schloss die Augen. «Es könnte skrupellose Männer betreffen. Ich weiß nicht, ob ich in Ruhe weiterforschen kann. Ich muss es aber. Das schulde ich Wolfgang.»
    Ich merkte es kaum, doch hatte er auch meine andere Hand ergriffen und drehte mich so, dass wir uns ins Gesicht sahen.
    «Madame», sagte er.
    Ich öffnete die Augen. Bei jedem seiner Atemzüge drehten sich die Goldknöpfe seines schlichten Gehrocks schimmernd ins Licht.
    «Die Gefühle, die Ihr Gesang in mir geweckt hat …», sagte er. «Verstehen Sie? Ich –»
    Als ich die Arie beendete, hatte mich die Liebe beinah in die Lüfte gehoben. Ich konnte es nicht verleugnen.
    Dennoch befreite ich meine Hände aus seinem Griff und eilte zur Treppe. Als ich den Fuß auf die erste Stufe setzte, wandte ich mich um. Er lächelte distanziert, als erinnerte er sich an ein lange zurückliegendes Glück.
    Beim Abstieg atmete ich heftiger als beim Aufstieg. Ich dachte an meine Kinder am Ufer des Wolfgangsees. Ich wünschte mir, diese Treppe, die endlos abwärts zu führen schien, möge am Tag vor Wolfgangs Tod auf dem Dorfplatz enden und ich wieder Frau Berchtold sein, und nicht die Frau, die auf der Straße einen Anschlag überlebt hatte, voller Angst war und einen Baron im kaiserlichen Palast liebte.
    Unterhalb der Kuppel ging ich im Kreis und blickte über mir zu Swieten auf der Galerie empor. Ich wollte ihn dort sehen und sein Lächeln spüren.
    Lautlos stand er vor mir. Ich hob einen Fuß, um ihm entgegenzugehen. Hätte er nichts gesagt, sondern nur die Hand nach mir ausgestreckt, wäre ich ihm in die Arme gefallen.
    «Heute Abend führe ich Sie aus um
Die Zauberflöte
zu hören.»
    Seine Stimme klang förmlich, als wäre er auf diesem Terrain nur der kaiserliche Bibliothekar und nicht der Mann, der am Ende der Treppe von seinen Gefühlen gestammelt hatte. Aber seine Augen blickten sanft, und so war ich nur für einen Moment verblüfft.
    «Ja», sagte ich.
    «Aber zuerst möchte ich, dass Sie mit mir kommen. Es gibt da jemanden, den Sie kennenlernen sollten.»

23

    In der Bäckerstraße bog die Kutsche des Barons in die Einfahrt eines stattlichen Hauses ein. Auf einem Fresko über dem Tor ruhte eine arglose Kuh neben einem grimmigen Wolf, ein Relikt der Stimmungsmache aus den Kriegen zwischen uns Katholiken und den protestantischen Häretikern. Als die Kutsche unter dem Torbogen durchfuhr, war mir, als hörte ich das gemalte Raubtier knurren.
    Im Hof stieg Swieten aus und reichte mir die Hand. Als ich sie ergriff, fiel die Angst, die ich angesichts des Wolfs gespürt hatte, von mir ab. Hinter ihm an der Wand setzten zwei Engelsskulpturen einer Madonna aus Stein eine goldene Krone aufs Haupt. Ihr ausdrucksloses Gesicht verzog sich vorwurfsvoll, wie ich da neben einem Mann stand, der mir beinahe schon seine Liebe gestanden hätte.
    Der Baron führte mich über die Treppe in die Beletage. Eine Außengalerie erstreckte sich von der Treppe zur Tür, die mit verschnörkeltem schwarzen Gusseisen beschlagen war. Er zog an der Türglocke. Ein Türspion wurde beiseitegeschoben, und ein blasses Triefauge blinzelte hindurch.
    Swieten ruckte befehlend mit dem Kinn. Der Riegel wurde zurückgeschoben, und ein alter Diener geleitete uns in eine schäbige Küche. Der üble Geruch im Raum ließ mich husten.
    Der Diener schlurfte in den vorderen Teil der Wohnung. Während wir ihm folgten, wurde der Schwefelgestank stärker.
    Wir betraten ein verdunkeltes Zimmer, von dem aus manvermutlich auf die Straße blicken konnte, wenn die Fensterläden geöffnet waren. Meine Augen hatten sich gerade an die Dunkelheit gewöhnt, als ein grünes Licht explodierte.
    Ich schrie vor Schreck, und der Baron legte mir die Hand auf den Arm. Er zog ihn aber fast so schnell wieder weg, wie das Licht verlosch. Seine Berührung durchzuckte mich so, wie der kurze Blitz jeden Winkel des Zimmers erhellt hatte.
    Der Diener öffnete ein Fenster, um die Läden aufzustoßen. Der Schwefelgeruch legte sich; stattdessen stank es jetzt nach Mist und feuchtem Tierfutter. Der Salon war vollgestopft mit Glasflaschen und brodelnden Flüssigkeiten.
    Ein kleiner Mann trat in den durch das Fenster fallenden Lichtstreifen. Er trug eine altmodische, schulterlange Perücke, deren weiße Locken ein plumpes Gesicht rahmten, das jünger als der

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