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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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die Hand aus und berührte mein blondes Haar, das im Nacken zusammengebunden war.
    Ich öffnete meine Hand. Auf der Handfläche lag, zusammengebunden mit einer winzigen Schleife, eine Locke meines Haars, das ich mir abgeschnitten hatte. «Für einen Mann hatte Wolfgang ungewöhnlich lange Haare, aber ich musste trotzdem noch eine ganze Menge abschneiden. Es wäre eine Schande, wenn man es lediglich zum Stopfen eines Kissens verwenden würde.»
    Der Baron führte die Locke an seine Lippen und steckte sie sich dann in die Westentasche.
    Ich rieb mir über die roten Hosenbeine und schlug mir auf die Schenkel. «Ich verstehe nicht, wie ihr Herren solche Hosen tragen könnt. Sie scheuern grässlich.»
    «Uns bleiben Korsetts aus Walfischknochen und Stangen, die unsere Brust stützen, erspart. Trotz der Einschränkungen durch unsere Beinkleider haben wir weniger zu leiden als die Frauen. Passt dir der Hut?»
    Ich setzte mir den schwarzen Dreispitz mit Goldrändern auf den Kopf.
    Swieten rückte ihn zurecht. «Trag ihn so, ein bisschen schräg. Sonst sitzt er dir zu tief auf der Stirn.» Er lehnte sich zurück, um mich zu mustern. «Bemerkenswert, wirklich bemerkenswert.»
    «Hat meine Schwester Verdacht geschöpft?»
    Er schüttelte den Kopf. «Ich habe behauptet, dass ich Wolfgangs Anzug für mich selbst kaufen wollte. Constanze wusste, dass das lächerlich war. Ich bin mehr als einen Kopf größer als er. Der Anzug würde mir nie passen. Sie verstand es als Spende an die Witwe meines Freundes, eine Spende, die ich als Kauf ausgab, um ihre Würde zu wahren.»
    «Und der Kaiser?»
    «Wir werden in Kürze das Vergnügen haben. Zuerst war er skeptisch.»
    «Wie hast du ihn überzeugt?»
    «Ich habe ihm gesagt, wenn er unserem Plan zustimmt, werde er etwas entdecken, das ihn aufs Höchste erstaunen dürfte. Er stimmte zu. Aber er hat mich gewarnt, dass …» Er sprach den Satz nicht zu Ende und verzog das Gesicht.
    «Was?»
    «Dass ich meine Stellung am Hof verliere, wenn die Sache nicht so funktioniert, wie ich sie ihm dargelegt habe.»
    «Gottfried, nein.» Ich griff nach seiner Hand.
    «Mach dir keine Sorgen. Der Kaiser hat seine Einwilligunggegeben. Für das Verbrechen, von dem ich ihm berichtet habe, will er Beweise sehen. Es liegt an uns, sie zu liefern.»
    «Und unser wichtigster Gast?»
    «Der Kaiser hat sein Erscheinen angeordnet. Er wird da sein.»
    Die Kutsche fuhr durch den Torbogen der kaiserlichen Ballsäle in den Schweizer Hof und hielt vor der Treppe zum ältesten Teil der Hofburg. Als der Lakai den Kutschenschlag öffnete, stieg Swieten aus und reichte mir seine Hand. Ich schüttelte den Kopf. «Kein Grund, jetzt den Kavalier zu spielen», sagte ich.
    Wegen seines Fehlers verzog er den Mund.
    Schikaneder kam durch das verzierte Schweizer Tor und verbeugte sich vor dem Baron. Ich klopfte ihm auf die Schulter.
    «Emanuel, alter Knabe, schön dass du gekommen bist», sagte ich.
    Falls er erschrak, verriet er es nur durch ein Flackern in seinen Augen. Da er sein Leben lang Rollen gespielt hatte, konnte ich mich darauf verlassen, dass der Schauspieler mich nicht verraten würde. Er neigte den Kopf. «Gehen Sie voraus, werte Herren», sagte er.
    Wir gingen über eine Treppe aus weißem Marmor. Ein roter Teppich bedeckte die Stufen. Wir stiegen zu dritt nebeneinander die lange Treppenflucht empor, wobei jeder von uns zweifellos geheime Ängste hegte. Auch wenn ich den Geist meines Bruders durch seine Kleidung in mich aufgenommen haben mochte, rechnete ich doch damit, dass eine der Palastwachen vortreten und mich demaskieren würde.
    Der Hofmeister führte uns durch die Hofburg. Ihre Flure schienen endlos zu sein. Der gewaltige Bau repräsentierte Herrschaftsanspruch, als ob ein kleinerer Palast niemals das enorme Prestige des Kaisers beherbergen könnte. Aber Autoritätist nie unendlich. Wäre sie es, wären Pergen und seine Geheimagenten nutzlos. Je größer die Macht, desto eher gibt sie ihre kleinen Schwächen preis.
    Ich lauschte dem ehrfürchtigen Schlurfen unserer Füße auf dem Teppich. Dem Flüstern ferner Türen. Dem Ticken von Uhren in geschlossenen Räumen, als seien sie der wahre Puls des Palastes. Alles war unterlegt von einer Stille wie das Warten selbst, sodass ich am liebsten durch jedes Schlüsselloch geschaut hätte, wer sich dahinter verbarg.
    Nachdem ich mich an Wolfgangs Rock gewöhnt hatte, war er auch bequem. Ich ging im Gleichschritt mit dem Baron und passte mein Atmen seinem gleichmäßigen

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