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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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beiseite und öffnete eine kleine Schublade. Dann verharrte er lange Zeit bewegungslos.
    Als er sich umdrehte, flackerte das Feuer auf und spiegelte sich in seinen Augen. Er näherte sich mir lautlos. Das Feuer war nun hinter ihm, und in seinen Augen spiegelte sich der Mond.
    Er hielt ein Kreuz an einer feinen Kette hoch. «Als mein Vater sie aus den Niederlanden nach Wien brachte», sagte er, «schenkte er dies meiner Mutter selig.»
    Der Baron ließ das Kreuz so über meine Hand baumeln, dass es meine Handfläche kitzelte. Es war halb so lang wie mein kleiner Finger, aus Gold mit Bernsteinintarsien. Er ließ die Kette los. Ich fing sie auf, bevor sie zu Boden fallen konnte.
    «Ich möchte, dass Sie sie behalten», sagte er.
    Ich folgte dem Mondschein in seinem Blick. Ich öffnete den Verschluss und legte mir die Kette um den Hals. Das Kreuz lag auf meinem Schlüsselbein. Ich wusste, dass es mich beschützen würde.
    Das Knistern des Feuers erstarb. Ich hörte den Atem des Barons, dann meinen eigenen, kurz und heftig.
    Ein Lied ging mir durch den Kopf. Die Liebesarie, die mein Bruder in
Così fan tutte
für Ferrando geschrieben hatte.
Der liebevolle Atemhauch unseres Schatzes gewährt dem Herzen süßen Trost.
Mein Atem ging im langsamen Sarabande-Rhythmus der Arie.
Das Herz, das von Liebe und Hoffnung erfüllt ist, bedarf keiner anderen Verlockung.
    Das Kreuz schimmerte in der Feuersglut, funkelte bei jedem meiner Atemzüge im Dreifachtakt des Liedes. Der Baron betrachtete hingerissen sein Geschenk, als hörte auch er die Musik.
    Er führte seine Hand an das Kreuz. Ich nahm seine Finger in meine. Ich wollte sie wegdrücken, aber stattdessen legte ich sie auf das Juwel, das er mir geschenkt hatte. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen. Seine andere Hand umfasste meine Taille.
    Als ich ihn küsste, kamen mir seine winzigen Barthaare so rau und scharf vor, dass ich das Gefühl hatte, sie würden mich blutig ritzen. Ich presste meine Wange enger an seine.

32

    Im Salon des Barons lehnte ich mich auf dem Diwan zurück. Das Feuer wärmte meine Beine. Mein Kopf lag auf seiner Brust, die sich im weichen Rhythmus seines Atems hob. Seine Finger bewegten sich durch mein volles Haar, fanden meine Kopfhaut und massierten mich dort.
    Mit seinen Zehen strich er über meinen Fuß, bis ich lachen musste. Ich rollte mich für einen langen Kuss auf ihn. Ich fuhr mit meiner Hand unter sein geöffnetes Hemd. «Ist dir kalt?» Ich rieb seine starke Schulter.
    «Du bekommst die ganze Wärme des Feuers ab.» Er lächelte. «Mach mal Platz.»
    «Reicht dir die Wärme meines Körpers nicht aus?»
    Er drückte sein Gesicht an meinen Hals und atmete ein. Dann ließ er den Kopf auf den Diwan zurücksinken und blickte stirnrunzelnd zur dunklen Decke.
    Ich kitzelte ihn mit meiner Nase am Kinn. «Was ist?»
    «Wolfgang wäre glücklich gewesen, wenn er uns zusammen gesehen hätte», sagte er.
    Seit dem Augenblick, da er mir das Kreuz um den Hals gelegt hatte, empfand ich keine Schuldgefühle mehr. Schließlich hatte ich gespürt, dass mich nicht die Angst, sondern die Begierde in die Hofburg getrieben hatte, doch dafür hatte ich mich nicht getadelt. Als er mich berührte, hatte ich an niemand anderen als den Baron gedacht. Ich hatte die gleiche absolute Hingabe empfunden, die mich auch überkam, wenn ich am Klavier saß. Doch als der Name meines Brudersfiel, überwältigten mich all die Komplikationen, vor denen mir die Musik – und jetzt die Liebe – Zuflucht gewährt hatte.
    Es war, als drängten mein Vater, mein Ehemann und mein Beichtvater aus der Marienkirche zur Tür herein, schockiert und empört über die Lage, in der sie mich fanden. Ich raffte das dünne Musselin meines Unterkleids am Hals zusammen, um mich vor ihren missbilligenden Blicken zu schützen. Ich sah zu, wie das Feuer die Scheite verzehrte.
    «Verzeih mir.» Der Baron berührte meine Wange. Vor meinem Gesicht hinterließ seine Hand wie einen Vorhang einen Hauch Cologne. «Ich hätte seinen Namen nicht erwähnen sollen.»
    Mein Blick verschwamm unter Tränen, aber nicht wegen der Taktlosigkeit des Barons. Ich erinnerte mich daran, wo ich den Duft, den auch Swieten trug, schon einmal wahrgenommen hatte. Es war der zarte Blütenduft, den Constanze eingeatmet hatte, als sie den Flakon auf Wolfgangs Schreibtisch geöffnet hatte.
    Ich hatte mich so weit von meinem Bruder entfremdet, dass ich sein Parfüm vergessen hatte. Ich wunderte mich, mit welcher Genauigkeit ich mich an

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