Mr. Fire und ich (Band 3)
verloren, wenn ich im September in Paris stranden würde.
Die Reaktion meiner Eltern zu fürchten und Vincent nicht aufgrund seiner Person, sondern aufgrund der Vorteile, auszuwählen, die ich mir mit ihm verspreche, scheint mir keine gute Idee zu sein. Ich habe das Gefühl, dass ich Vincent aus den falschen Gründen wieder begegnen würde.
Muss ich die Gegenwart eines Mannes durch die eines anderen ersetzen? Ziehe ich Vincent nur als Ersatz für Daniel Wintermann in Betracht? Weil er Eigenschaften hat, die ich gern an Daniel gesehen hätte?
Vincent wiederzutreffen
: wäre das nicht eine Art von Rache? Um mich an Daniel zu rächen, würde ich mich in die Arme eines anderen werfen?
Vincent wiederzutreffen
: das wäre nicht seinetwegen, sondern gegen Daniel. Daniel ist es, um den immer noch meine Gedanken kreisen, der mich quält.
Vincent wiederzutreffen
käme dem gleich, eine Person, die mir lieb und teuer ist, als Notlösung auszunutzen, um Daniels Eifersucht zu wecken (ohne Garantie, dass das überhaupt funktionieren würde…). Das wäre gegenüber Vincent nicht fair, nicht richtig. Ich schätze ihn zu sehr, um mich ihm gegenüber so zu verhalten.
Ich sollte lieber zurückgehen zu meinen Eltern und einen plausiblen Grund für meine Rückkehr finden (schließlich wäre für sie die Wahrheit viel weniger glaubwürdig als das was ich erfinden könnte!).
Ich möchte wieder nach Hause, in mein Zimmer.
„In diesem Fall, Ray, würden Sie mich bitte nach Tours fahren…“
„Sehr gern, Mademoiselle. Haben Sie dort unten Familie?“
„Ja, meine Eltern.“
„Sie werden sich freuen, Sie wiederzusehen.“
„Ja. Und auch überrascht. Ich habe Ihnen noch nicht mitgeteilt, dass ich in Frankreich bin.“
„Ah...ich verstehe.“
„Ich möchte Sie wirklich nicht langweilen, aber ich möchte, dass Sie mich am Bahnhof rauslassen, damit ich mir ein Taxi bis zu ihnen nach Hause nehmen kann. Sie werden verstehen, es gäbe endlose Fragen und ich müsste Ihre Anwesenheit rechtfertigen.“
„So machen wir es, Mademoiselle. Ich verstehe.“
„Danke, Ray.“
Bevor ich meine Eltern anrief, überlegte ich mir eine glaubwürdige Geschichte, die ich Ihnen auftischen konnte (ich bin gerade aus dem Flieger gestiegen, ich werde in Kürze einen Zug nehmen, mir geht es gut...) und holte tief Luft.
„Hallo?“
„Hallo Mama?“
„Julia?! Bist du es meine Süße?“
„Ja, Mama, ich bin's.“
„Geht's dir gut?“
„Ja, Mama, es geht mir gut. Rate mal, woher ich anrufe?“
„Ich hab' keine Ahnung, meine Süße...Von der Freiheitsstatue?“
„Nein.“
„...vom Broadway?“
„Nein.“
„...von Macy's?“
„Auch nicht.“
„Komm schon, sag' es mir!“
„Aus Paris, Mama!“
„Das kann nicht sein?! Du bist zurück? Aber wir haben dich nicht vor dem kommenden Wochenende zurück erwartet?!“
„Ich weiß. Ich musste viele Überstunden abfeiern, daher konnte ich meine Rückreise vorverlegen.“
„Ich benachrichtige sofort deinen Vater. Wir kommen dich abholen. Oh, ich bin so glücklich! Warum hast du dich nicht früher gemeldet, wir hätten dich am Flughafen abgeholt?“
„Nein Mama, es lohnt sich nicht, zu kommen. Ich wollte euch überraschen. Du weißt ganz genau, dass Papa es hasst, auf der Ringautobahn zu fahren.“
„Ach, dein Vater!“
„Mach' dir keine Sorge, Mama. Ich bin noch am Flughafen. Ich muss wieder nach Paris zurück und nehme von dort den Zug.“
„Um wie viel Uhr kommst du an? Wir kommen dich wenigstens am Bahnhof abholen.“
„Mama, ich hab' noch keinen Zug, ich kenne den Abfahrtszeit noch nicht. Hör' zu, du brauchst dich nicht zu kümmern. Ich werde mir zu helfen wissen, um direkt nach Hause zu kommen. Aber ich werde zum Abendessen bei euch sein!“
„Ok, meine Süße. Oh là là! Meine Große ist zurück! Ich werde beim Catering anrufen und uns etwas Gutes zum Abendessen bestellen, und ich hoffe, dass dein Vater noch Champagner im Keller hat.“
„Super, Mama! Ich freue mich darauf, euch wiederzusehen. Bis später!“
„Bis später meine Süße! Ich schick' dir einen dicken Kuss!“
„Bis später, Mama.“
Ich legte auf. Im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Ich fühlte eine große Leere nach diesem Anruf. Bis zu diesem Augenblick war es ein Notfall, ich musste handeln. Ziel: Selbstschutz. Fliehen, danach die Richtung festlegen. Aber jetzt, wo ich allein war, geschützt in einem Fahrzeug, das zu meinem Elternhaus fuhr, holten mich die letzten Stunden meines Lebens
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