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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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Haus kam, hatte sie eine Tüte mit weichem weißem Brot, und zusammen mit dem Pferd ging sie wieder über die Wiese, langsam schlendernd, und sie setzten sich unter einen Ahornbaum, der im Zwielicht ganz schwarz und blau aussah. Das Mädchen lehnte sich an das Pferd. An seinen warmen Körper. Sie machte die Tüte auf und nahm sich erst selbst eine Scheibe von dem weichen Brot und gab dann dem Pferd, und sie kauten beide, glücklich, dass sie entkommen waren, aber schwerfällig und langsam, weil sie so ungeheuer müde waren. Das Pferd konnte kaum seinen schönen roten Kopf oben halten, und das Mädchen hatte Mühe, den Arm zu heben und dem Pferd von dem Brot zu geben. Eine Brise zupfte an ihren Haaren, und alle Bäume wurden zu Nachtbäumen. Und dann schliefen sie, so tief und fest, dass die ganze Nacht in einem einzigen vollkommenen Moment verging.«
    Tommie schreckte aus dem Schlaf hoch. »Ich habe beide Kissen.«
    »Ich weiß.« Er lächelte. »Es sah schön aus, wie du darauf geschlafen hast. Du sahst aus wie ein schläfriges, sommersprossiges Schweinchen. Ich habe dich beobachtet. Ich habe gesehen, wie dein kleiner Bauch unter der Decke immer hoch und runter ging und wie du die Kissen umarmt hast. Du hast geschnarcht!«
    »Ich habe gar nicht geschlafen.«
    »Und ob du geschlafen hast.«
    »Entschuldigung. Hier.« Sie schob ein Kissen zu ihm rüber, dann das andere. »Du kannst beide haben.«
    »Ahm. Sie wollte, dass er auch ein Schweinchen ist. Aber das wollte er sich nicht gefallen lassen. Außerdem« – er zeigte auf die grünen Vorhänge vor dem kleinen Fenster – »wird es bald Tag. Wir müssen raus und uns den Morgen ansehen. Ich geheaus dem Zimmer, damit du dich anziehen kannst.« Er stand auf.
    »Haben wir denn geschlafen?«
    »Was für eine Frage.«
    »Du hast in deinen Stiefeln geschlafen.«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Wie viel Uhr ist es?«
    »Mach dir keine Gedanken über die Zeit. Mach dir am besten überhaupt keine Gedanken, kleine Miss Piggy. Ich passe für uns beide auf den Kalender auf, okay? Auf die Montage und Dienstage und Mittwoche.« Er blickte auf ihre bloßen Arme und Schultern, die unter der Umrandung der Wolldecke herausguckten, dann machte er die Tür auf und trat in die Dunkelheit hinaus.
    * * *
    Sagen wir, am nächsten Tag sahen sie keine Türme aus Glas und Stahl am Highway. Keine Telefonmasten. Keine Drähte. Sagen wir, Lambs Wagen und der Highway waren die einzigen Merkmale der heutigen Welt, und die Straße war von Gräsern und aromatischen Blumen überwachsen, von wilden Lauchstauden und Weidensträuchern. Überall die weichen Mäuler des Bartfadens, die rosa Blüten der Bergkalmie, dazwischen Fieberklee und die schwankenden lila Köpfe der Waldrebe. Sagen wir, so sah die Welt aus, als sie in den Mittleren Westen kamen und der Himmel sich öffnete – plötzlich grenzenlos, plötzlich von Ehrfurcht erregendem Blau.
    Tommie saß im Schneidersitz auf dem Beifahrersitz, und Lamb sah zur Seite und dachte, sollte sie auskneifen wollen, irgendwie, würde er sie nicht daran hindern.
    »Was denkst du da drüben?«
    »Nichts.« Draußen sahen sie auf ihrer Seite das dachlose Gerippe einer aus Kiefernholz gezimmerten Hütte. Das Mädchen hatte die Schultern hochgezogen, ihr Mund stand leicht offen, und zwischen den Augenbrauen war eine steile Falte.
    »Irgendwie schön, in diesem zerstörten Zustand.«
    »Stimmt.«
    »Jedes Mal, wenn du mir zustimmst, klingst du ein bisschen klüger.« Er zwinkerte ihr zu und brachte den Wagen auf der Standspur zum Halten. »Wir sind jetzt in Wyoming. Hast du dich schon gewundert, wo wir sind? Du kannst mich jederzeit fragen, und ich gebe dir ganz genau Auskunft.«
    »Gut.«
    »Siehst du das da drüben?« Er zeigte auf die Ruine eines kleinen Hauses am Hang mit schwarzen Fensterlöchern. »Vielleicht war das die erste Wohnstätte im Wyoming Territory. So um achtzehnhundertfünfzig herum. Das kleine Haus könnte von den Cheyenne stammen. Das erste Zeichen von Menschen auf der unberührten, grasigen grünen Ebene.«
    »Sie ist gelb.«
    »Du kannst sie dir grün vorstellen.«
    Sie sah aus dem Fenster.
    »Möchtest du es dir aus der Nähe ansehen?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Ich weiß«, sagte er. »Es ist weiter, als es aussieht, und du bist müde.« Er hob die Stimme. »Es war eine einmalige Reise in die Vergangenheit. Aber das junge Mädchen war müde.«
    »Na gut. Dann steigen wir eben aus.«
    Er legte die Fingerspitzen ans Ohr.
    »Ja!«, sagte sie.

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