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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb
Autoren: Bonnie Nadzam
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»Mach die Tür auf.«
    »Genau so möchte ich es hören. Ich bin nur der Reiseführer, richtig? Dies ist deine Reise. Dies ist deine Woche. Die Hüttekann ich für den Rest meines Lebens haben. Ich kann immer auf diesem Highway fahren. Aber du kommst nur dieses einzige Mal hierhin. Also. Sag es laut und deutlich: Das ist meine Woche, Gary.«
    »Das ist meine Woche, Gary.«
    »Gut. Ich möchte, dass du so richtig gierig auf alles bist.« Er entriegelte die Tür.
    Sie gingen über den unbefestigten Randstreifen, stiegen in den Straßengraben und auf der anderen Seite wieder rauf, auf die harte, trockene Erde. Nach Norden hin standen Massen von hölzernen Schneezäunen im Gras, wie leere Staffeleien. Der Wind rauschte laut, der Beifuß schüttelte sich wie eine knorrige graue Faust. Nach Osten und nach Westen, so weit das Auge reichte, Holzpfähle, zwischen denen drei Reihen Stacheldraht gespannt waren. Auf dem Gras schlug ein blauer Plastikbeutel Purzelbäume.
    »Oh«, sagte sie. »Wir kommen nicht weiter.«
    »Ach, du süßes kleines Ding.« Er hob einen der Drähte zwischen den Stacheln an. »Es ist nur ein Zaun.«
    Sie stieg hindurch, er folgte.
    »Auf die Plätze«, sagte er, und streifte sich die Hände an den Jeans ab. »Fertig, los!«
    Er rannte los, sein schwarz-grauer Kopf blitzte im blendenden Licht. »Hol mich ein, du faules Kissenschwein!« Sie rannte hinter ihm her, er grinste, als sie schnaubend und in Sprüngen über den holprigen Boden rannte, und als sie sich dem Haus näherten, brachte er sie mit seinem Unterarm als Sperre vor ihrem Bauch zum Stehen. Ihre Wangen hatten sich unter den Sommersprossen rosa gefärbt, das Haar klebte ihr schweißnass an den Schläfen.
    »Vorsicht«, sagte er. Rostige, orangerote Nägel stakten aus den umgedrehten Brettern nach oben.
    Die Fenster ohne Scheiben, das Holz grau und verwittert. Ein Schaukelstuhl von erdbrauner Farbe, seltsamerweise vollkommen intakt und reglos, stand auf den Holzplanken der Veranda.
    »Jemand muss ihn aus dem Haus geholt haben«, sagte er mit einem Blick auf den Stuhl. »Wenn du irgendwo Bierdosen siehst, weißt du es mit Sicherheit.«
    »Du meinst, Jugendliche kommen hierher?«
    »Ich wette, einer hat im Wagen seines Vaters eine Matratze hergebracht, und ein paar Taschenlampen und billigen Wein, Pappbecher und Zigaretten, und jedes Wochenende kommt er mit einem anderen Mädchen.«
    »Gary!«
    Er hielt die Hand in den Wind. »Ich sage dir nur, wie es ist. Es ist besser, du weißt Bescheid. Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
    »Das ist krank.«
    »Möchtest du reingehen und gucken?«
    »Nein. Es ist irgendwie unheimlich.«
    »Ich weiß«, sagte er.
    »Meinst du, sie sind hier gestorben?«
    »Wer? Die Mädchen?«
    »Nein, Blödmann.« Sie gab ihm einen leichten Schlag auf den Arm und zog sich ihr T-Shirt, unter das der Wind gefahren war, wieder über den Bauch. »Die Leute, die hier gewohnt haben.«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht. Indianer. Schnee. Fieber. Pocken. Es gibt jede Menge Gründe. Aber es ist kein Friedhof da, oder? Also denke ich eher, sie sind einfach weitergezogen.«
    »Das ist nicht so aufregend.«
    »Sei nicht melodramatisch, Tom. Sonst überstehen wir die nächsten Tage nicht.«
    Sie legte sich die Hand als Schild an die Stirn und blickteüber das leere Gras und an dem Haus vorbei, wo noch ein einzelner Abschnitt von einem Staketenzaun stand.
    »Da binden sie abends die Geisterpferde fest«, sagte er zu ihr.
    »Sieht deine Hütte auch so aus?«
    »Ich habe dir erzählt, wie sie aussieht.«
    »Werden wir Pferde haben?«
    »Also, Tom, ich weiß, ich bin ein toller Kerl und alles, aber so lange bist du gar nicht eingeladen.«
    »Ich hab nur gespielt.«
    »Solange wir das beide wissen.«
    Er drehte das Handgelenk um und sah auf die Uhr. »In fünf Tagen fahren wir in die umgekehrte Richtung und bringen dich zu deiner dich liebenden Mutter zurück und – «
    » – nichts von dem hier ist passiert.« Sie verdrehte die Augen. »Ich weiß.«
    Er ließ die Hand sinken und sah sie an. »Das wollte ich nicht sagen. Nicht passiert? Es passiert doch jetzt gerade. Oder etwa nicht?«
    »Doch.«
    »Na also. Und später, vielleicht nicht sofort, aber später kannst du allen davon erzählen. Okay?«
    Sie schnaubte. »Ja, genau. Die machen mich fertig.«
    »Dann wartest du eben, bis du achtzehn bist. Oder sechsundzwanzig. Jetzt bist du ja erst elf.«
    »Du brauchst mich nicht immer dran zu erinnern.«
    Er hob ihr Kinn mit dem
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