Mr Pink Floyd
mit den Puristen der ersten Stunde. Währenddessen verwandelten sich ihre Auftritte immer mehr zu Theatervorstellungen mit komplexen Bühnenbildern, Dutzenden Komparsen und glitzernden Lightshows. Kein Wunder, dass die ambitionierten jungen Kerle eines Tages auf die Idee kamen, sich ein Stück für Chor und Orchester auszudenken. Die Royal Philarmonic hatten sie schließlich nur begleitet: Diesmal ging es darum, ein echtes Stück zu komponieren,
das an die fünfzig Musiker mit einbezog, und ich kann euch sagen, das ist wahrlich nicht das Gleiche. Waters wandte sich an Ron Geesin, einen äußerst erlesenen Komponisten, den er beauftragte, ein Orchester zusammenzustellen: Die ersten Unstimmigkeiten traten auf, als Geesin feststellte, dass nach den Vorstellungen von Pink Floyd ein Orchester hauptsächlich aus etwa zwei Dutzend Blechblasinstrumenten bestand … Für den Chor wollte Waters »das Beste vom Besten«, und Geesin, zu gütig, nannte ihm meinen Namen. Ob das für mich wirklich am Ende so interessant war, sei dahingestellt, denn meine Hauptaufgabe während der Umsetzung dieses langen Stücks bestand darin, zwischen Waters und Geesin zu vermitteln, und die waren sich so gut wie immer uneinig (damit angefangen, dass Geesin – was Waters jedoch stets zu verhindern wusste – als Ansprechpartner lieber Wright gehabt hätte, den Einzigen mit einer klassischen Musikausbildung).
Was für ein Typ, dieser Geesin. Kein Mensch auf der Welt tritt mit so viel Talent in jedes Fettnäpfchen. Ich erinnere mich noch gut daran, welche Eiseskälte sich in dem Aufnahmestudio ausbreitete, als wir während einer Pause über die möglichen Titel für das Stück sprachen. Als Gilmour The amazing pudding vorschlug, was er möglicherweise nicht ernst meinte, sprang Geesin auf und rief: »Das ist nicht zu glauben, das ist original Barrett!« Nach einem schier endlosen Schweigen hob Waters den Kopf und zischte: »Wehe, du nimmst noch einmal den Namen Barrett in den Mund«, wonach allen klar war, dass für den Tag die Proben beendet waren.
Dennoch wollte es das Schicksal, dass Barrett eine entscheidende Rolle bei der Auswahl des Titels spielte. Als im Frühjahr das Stück fertig war, das wir bereits einige Male live aufgeführt hatten, wussten wir noch immer nicht, wie wir es nennen sollten. Nun ging es aber darum, es für das neue Album einzuspielen, das denselben Titel tragen sollte. Wir saßen alle im Versammlungsraum der EMI, Pink Floyd , Geesin, ich, Norman
Smith und noch irgendjemand. Während Smith, der von der Plattenfirma eingesetzte künstlerische Leiter, in einer zerfledderten Zeitschrift blättert, ruft er auf einmal: »Hey, hier ist ja eine Rezension über MADCAP!« THE MADCAP LAUGHS war eins von zwei Alben, die Barrett im Jahr 1970 herausgebracht hatte. Die Rezension, die uns Smith daraufhin vorlas, endete ungefähr so: »Nach langer Zurückgezogenheit ist Syd Barrett also wieder kreativ geworden, und es ist ein sagenhafter Zufall, dass sein neues Album genau am 3. Januar herausgekommen ist, dem Tag, an dem Mary Sheldon, eine Arbeiterin aus Cambridge, der wenige Monate zuvor das neueste Modell eines Herzschrittmachers eingesetzt worden war, den kleinen Brian auf die Welt gebracht hat, wofür sie den Ehrentitel der Atom-Herz-Mutter erhielt.«
Atom-Herz-Mutter, »atomic heart mother« … Wie besessen von diesem Ausdruck, sagte Waters ihn mehrmals vor sich hin, verlieh ihm einen Hauch metrischer Eleganz, und schon war der Titel für Stück und Album geboren, ein Titel, über den sich Millionen Menschen den Kopf zerbrochen haben … Selbstverständlich kann ich euch auch von der Kuh berichten: Sie hieß Lulubelle III. und lebte mit vier Kameradinnen auf dem Bauernhof der Potters, exakt auf halber Strecke zwischen Cambridge und London. Storm Thorgerson fotografierte sie bloß auf die Schnelle, während Wright, der sich wie immer mit der Abkürzung vertan hatte, jemanden nach dem Weg fragte. Geesins Kommentar lautete, nur um mal wieder seinem Ruf gerecht zu werden: »Fünf Kühe, genauso viele wie ihr, als Barrett noch dabei war.«
SECHSTES GESTÄNDNIS
Das Pferd
Mein Vater hieß Eric Fletcher Waters. Er starb am 18. Februar 1944 in Anzio. Ich, sein Sohn und von ihm George Roger genannt, kam 165 Tage vor seinem Tod auf die Welt. Man kennt mich als Roger Waters, Sänger, Bassist und Autor der meisten Texte von Pink Floyd .
Ich habe gehört, was meine Kumpels bisher so erzählt haben. Aber dazu will ich mich gar nicht weiter
Weitere Kostenlose Bücher