Mr Pink Floyd
vielmehr Roger, nun ganz genau wissen, weshalb sie sich an ein themenbezogenes Album machten. Auf unwiderruflichen Beschluss Rogers sollte das Thema »Wahn« lauten beziehungsweise »Entfremdung«, wie es damals hieß. Von da an ging die Beziehung zwischen Pink Floyd und Rick langsam in die Brüche. Rick, der nicht auf
den Kopf gefallen war, begriff sofort, dass Syds Schatten über diesem Thema lag, brachte aber nie den Mut auf, es offen auszusprechen: Wenn das Thema zur Sprache kam, gab er lediglich zu verstehen, dass er es für »geschmacklos« hielt, aber natürlich verstand niemand, was er damit meinte. Anzeichen gab es allerdings genug, und wie, zum Beispiel als Roger in Brain damage schrieb, dass der Verrückte erst auf dem Rasen steht, dann in der Halle, in seinem Kopf, und schließlich, dass sich jemand in seinem Hirn befindet, der aber nicht er selbst ist, na, eindeutiger geht’s ja wohl nicht…
Den nächsten Knacks bekam ihre Freundschaft, als herauskam, dass der Titel THE DARK SIDE OF THE MOON erst ein Jahr zuvor von Medicine Head benutzt worden war, einem Grüppchen, von dem ich anschließend nie wieder etwas gehört habe. Während Roger, mehr als stolz auf seinen Titel, entschlossen darüber hinwegging, hatte Rick in seiner typischen gewissenhaften Art darauf bestanden, nach einem anderen zu suchen, ECLIPSE zum Beispiel. So kam es am Ende zu einer Abstimmung: Roger und Dave waren für DARK SIDE, Rick und Nick für ECLIPSE. Seelenruhig wandte sich Roger daraufhin Nick zu und sagte: »Weißt du eigentlich, wie viele Schlagzeuger da draußen herumlaufen?« Moral von der Geschichte, die nächste Abstimmung lautete drei zu eins für DARK SIDE.
Zur LP werde ich mich nicht weiter äußern, was soll man zu einem Album schließlich noch sagen, das von 1973 bis 1988 für sage und schreibe siebenhundertvierundzwanzig Wochen in den Charts stand, ziemlich genau fünfzehn Jahre, und erst dann herausfiel, als die Herren Gesetzgeber von »Billboard« beschlossen, die Hitliste auf die letzten zehn Jahre zu begrenzen. Das ist doch jenseits von Gut und Böse! Aber halt, ein Schätzchen habe ich vielleicht doch. Erinnert ihr euch noch an die schrillen Töne von Clare Torry in Gig ? Auch ohne Hintergedanken musste man dabei unweigerlich an einen Orgasmus beziehungsweise gleich an eine ganze Reihe von Orgasmen denken,
und man beachte, dass niemand sie dazu aufgefordert hat, das geschah ganz von selbst, ohne eine einzige Probe … Nun, die Aufnahme war gerade vorbei, als Clare zu uns in den Regieraum kommt und sich bei mir und Rick entschuldigt, dass sie »sich habe gehen lassen …« – »Aber mein verehrtes Fräulein«, erwidere ich, »du wirst der Platte Glück bringen!« Da wird sie rot und stammelt irgendetwas von wegen Gefühl von Besessenheit, hält sich die Hand vors Gesicht und geht. Ich habe sie nie wiedergesehen.
SIEBTE ZEUGENAUSSAGE
Peter Watts – Alan Parsons (2)
Eigentlich kann ja nur ich, Alan Parsons, eine Zeugenaussage machen, da Peter 1975 gestorben ist, als seine Tochter Naomi gerade mal sieben Jahre alt war. Sie haben Peter, der bis 1967 Cheftechniker war, genau dann zum Roadmanager erhoben, als DARK SIDE auf den Markt kam und die entsprechende Tournee anstand (nur nebenbei bemerkt, dieses irre Gelächter am Anfang des Albums ist von ihm). In seiner neuen Funktion konnte er wie kein anderer erleben, wie gut Pink Floyd bereits am Himmel für Sterne erster Größe verankert waren. Für jedes LiveKonzert von DARK SIDE, so erzählte mir Peter etwas verdutzt, waren mindestens fünfzehn bis achtzehn Lkw nötig, die bis oben hin voll mit den wunderlichsten Dingen beladen waren: riesige Boxen, Verstärker, Synthesizer, kilometerweise Kabel, ein Dutzend Schaltpulte, nie gesehene mechanische Apparaturen zum Verzerren und Zerstäuben von Klängen, eine extra Anlage für Überblendungen, eine echte Orgel aus dem achtzehnten Jahrhundert, Koffer voller Bänder mit allen möglichen Geräuschen und Lauten von über einhundert Tieren, Nebelmaschinen, Hunderte von Scheinwerfern mit zigtausend Farbfiltern, eine Mannschaft von nie weniger als achtzig bis neunzig Mann, den Ordnungsdienst nicht mitgerechnet, fünf oder sechs Backgroundsänger, Knabenstimmen, Supportmusiker, Architekten und Zimmermänner für den Aufbau des Bühnenbildes, Maler, Schneider, Friseure, Maskenbildner, vier oder fünf Hotels, die auf jeder einzelnen Etappe in Beschlag genommen wurden,
Flugzeuge, die Schriftbänder, Ballons und Pappfiguren
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