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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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an.
    »Tut mir wahnsinnig leid, dass Roger heute zu spät kam«, sagte Sandy. Sie drehte sich um und lächelte ihn durch den Spalt zwischen den Sitzen an. Ihr Busen dehnte den Sicherheitsgurt. »Wir haben uns eine Lodge angesehen – ein Cottage, meine ich –, und die Maklerin kam zu spät.«
    »Ein Cottage angesehen?«, fragte der Major. »Und was war mit der Arbeit?«
    »Das hat sich alles geklärt«, antwortete Roger, den Blick starr auf die Straße gerichtet. »Ich habe dem Kunden gesagt, dass ich zu einem Begräbnis muss und er das Ganze um einen Tag verschieben oder sich an jemand anderen wenden soll.«
    »Ihr habt euch also Cottages angesehen?«
    »Daran bin ganz allein ich schuld, Ernest«, sagte Sandy. »Ich habe geglaubt, ich hätte genug Zeit eingeplant, um Roger rechtzeitig an der Kirche abzusetzen, aber diese Maklerin hat alles verpatzt.«
    »Die rufe ich morgen gleich an und sage ihr, wie verärgert ich immer noch bin, weil ich mich wegen ihr verspätet habe«, sagte Roger.
    »Mach keinen Aufstand, Liebling. Deine Tante Marjorie hat doch wirklich sehr verständnisvoll reagiert.« Sandy legte ihre Hand auf Rogers Arm und lächelte den Major noch einmal an. »Ihr alle habt verständnisvoll reagiert.« Der Major versuchte, wütend zu werden, doch es misslang ihm. Mehr als den Gedanken, dass diese junge Frau in ihrem PR -Job ganz hervorragend sein musste, brachte er in seiner Schläfrigkeit nicht zustande.
    »Cottages angesehen …«, murmelte er.
    »Ich weiß, wir hätten es bleiben lassen sollen, aber diese Cottages werden einem immer gleich weggeschnappt«, sagte Sandy. »Erinnerst du dich an dieses süße Häuschen in der Nähe von Cromer?«
    »Wir haben uns nur ein paar Häuser unterwegs angesehen«, sagte Roger und warf einen ängstlichen Blick in den Rückspiegel. »Aber die Gegend hier hat für uns oberste Priorität.«
    »Sie ist günstiger gelegen als die Norfolk Broads oder die Cotswolds, das muss ich zugeben«, sagte Sandy. »Und für Roger sind natürlich Sie die große Attraktion.«
    »Attraktion?«, fragte der Major. »Wenn ich Norfolk ausstechen soll, fange ich am besten sofort an, in meinem Garten Nachmittagstees zu veranstalten.«
    »Dad!«
    »Dein Vater ist so witzig«, rief Sandy. »Ich liebe diesen trockenen Humor!«
    »Ja, Scherze am laufenden Band, was, Dad?«
    Der Major schwieg. Er lehnte den Kopf an den Ledersitz und genoss die beruhigende Vibration des Wagens. Wie ein Kind fühlte er sich, während er dösend den leisen Gesprächen von Roger und Sandy lauschte. Sie hätten seine Eltern sein können; auch deren gedämpfte Stimmen waren zu Ferienbeginn auf der langen Heimfahrt vom Internat hin und wieder in sein Bewusstsein gedrungen.
    Es war ihnen immer wichtig gewesen, ihn abzuholen, während die meisten anderen Jungen mit dem Zug fuhren. Sie glaubten, es würde sie zu guten Eltern machen, und außerdem gab der Schulleiter immer einen wunderschönen Empfang für die Eltern, die gekommen waren – die meisten, weil sie ohnehin in der Nähe wohnten. Sein Vater und seine Mutter liebten es, sich unter die Leute zu mischen, und waren glücklich, wenn sie eine Einladung zu einem sonntäglichen Mittagessen in irgendeinem prächtigen Haus ergattert hatten. Nach dem Aufbruch am späten Nachmittag mussten sie, schläfrig von Roastbeef und Trifle, bis weit in die Nacht hinein fahren, um nach Hause zu kommen. Er schlief jedes Mal auf der Rückbank ein. Egal wie wütend es ihn gemacht hatte, dass sie ihm ein Mittagessen im Haus irgendeines Jungen aufhalsten, der solche Verpflichtungen ebenso sehr verabscheute wie er selbst, die Fahrt besänftigte ihn immer. Die Dunkelheit, das Scheinwerferlicht, das sich in die Straße bohrte, die Stimmen seiner Eltern, ganz leise, um ihn nicht zu stören. Es hatte sich immer wie Liebe angefühlt.
    »So, da wären wir«, sagte Roger munter. Blinzelnd versuchte der Major, sich so zu geben, als wäre er die ganze Zeit über wach gewesen. Er hatte vergessen, ein Licht brennen zu lassen. Die Backsteinfassade und die Dachziegel von Rose Lodge waren im schwachen Mondlicht kaum zu sehen.
    »So ein süßes Haus!«, sagte Sandy. »Und größer, als ich erwartet hatte.«
    »Ja, an dem ursprünglichen Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert wurde das vorgenommen, was man in der georgianischen Zeit ›Veredelungen‹ nannte. Dadurch wirkt es imposanter, als es eigentlich ist«, erklärte der Major. »Ihr kommt doch noch mit rein und trinkt eine Tasse Tee?«, fügte er

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