Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
hinzu, während er seine Tür öffnete.
»Nein, tut uns leid«, erwiderte Roger. »Wir müssen zurück nach London, wir sind mit Freunden zum Abendessen verabredet.«
»Aber ihr seid frühestens um zehn dort«, wandte der Major ein. Allein die Vorstellung, so spät noch zu essen, verursachte ihm Bauchgrimmen.
Roger lachte. »Nicht wenn Sandy fährt. Aber wenn wir nicht gleich loslegen, schaffen wir es tatsächlich nicht vor zehn. Warte, ich bringe dich noch hinein.« Er sprang aus dem Auto. Sandy rutschte über den Schaltknüppel hinweg auf den Fahrersitz, wobei ihre Beine wie Krummschwerter aufblitzten. Sie drückte auf irgendeinen Knopf, und das Fenster surrte nach unten.
»Gute Nacht, Ernest.« Sie streckte die Hand hinaus. »Es war mir ein Vergnügen.«
»Danke«, sagte der Major. Er ließ ihre Hand los und wandte sich zum Gehen. Roger huschte hinter ihm her zum Haus.
»Bis bald mal wieder!«, rief Sandy. Dann surrte das Fenster nach oben und verhinderte jede weitere Kommunikation.
»Ich kann es kaum erwarten«, brummelte der Major.
»Pass auf, wo du hintrittst, Dad«, sagte Roger hinter ihm. »Du musst dir unbedingt eine Sicherheitsleuchte anschaffen. So eine mit Bewegungsmelder.«
»Grandiose Idee«, entgegnete der Major. »Bei den vielen Kaninchen, die wir hier haben – ganz zu schweigen von dem Dachs, der sich hier in der Gegend herumtreibt –, würde das aussehen wie in diesen Discos, in die du früher immer gegangen bist.« An der Tür hatte er den Schlüssel schon parat und versuchte, auf Anhieb das Schloss zu treffen. Der Messingschlüssel kratzte über das Blech, fiel dem Major aus der Hand, prallte auf das Klinkerpflaster und landete mit einem unheilvollen dumpfen Aufschlag irgendwo in weicher Erde.
»Verdammt noch mal!«
»Genau das meinte ich«, sagte Roger.
Roger fand den Schlüssel unter dem breiten Blatt einer Taglilie – nicht ohne dabei mehrere der geriffelten Blätter abzubrechen – und schloss die Tür mühelos auf. Der Major trat an ihm vorbei in den dunklen Flur und fand, nachdem er in Gedanken ein Stoßgebet gesprochen hatte, auf Anhieb den Lichtschalter.
»Kommst du zurecht, Dad?« Roger stand zögernd da, eine Hand am Türstock, im Gesicht den Ausdruck eines nervösen, unsicheren Kindes, das weiß, dass es sich schlecht benommen hat.
»Aber natürlich, vielen Dank«, antwortete der Major. Roger wandte den Blick von ihm ab, machte aber keine Anstalten zu gehen. Es sah fast so aus, als wartete er darauf, für seine Handlungsweise an diesem Tag zur Rechenschaft gezogen zu werden oder irgendwelche Forderungen entgegenzunehmen. Doch der Major schwieg. Sollte sich Roger ruhig ein paar lange Nächte neben diesen teuflischen, glänzenden amerikanischen Beinen mit seinem schlechten Gewissen herumplagen. Es erfüllte ihn mit Genugtuung, dass sein Sohn noch nicht jeden Sinn für richtig und falsch verloren hatte. Der Major verspürte keinerlei Lust, ihm sofort die Absolution zu erteilen.
»Gut, ich rufe dich morgen an.«
»Das ist nicht nötig.«
»Ich möchte aber«, sagte Roger unnachgiebig. Dann trat er auf ihn zu, und schon fand sich der Major taumelnd in einer unbeholfenen, steifen Umarmung wieder. Mit einer Hand stützte er sich gegen die schwere Tür, nicht nur, um sie offen zu halten, sondern auch, um nicht hinzufallen. Mit der anderen klopfte er ein paarmal zaghaft auf die Stelle an Rogers Rücken, die er erreichen konnte. Dann ließ er die Hand ein paar Sekunden lang liegen und spürte im knubbeligen Schulterblatt seines Sohnes das kleine Kind, das er immer geliebt hatte.
»Ihr beeilt euch mal besser«, sagte er heftig blinzelnd. »Ist eine lange Fahrt in die Stadt.«
»Ich mache mir wirklich Sorgen um dich, Dad.« Roger trat einen Schritt zurück und wurde wieder der fremde Erwachsene, der fast ausschließlich am anderen Ende der Telefonleitung existierte. »Ich ruf dich an. Sandy und ich gleichen unsere Termine ab, und dann kommen wir dich in ein paar Wochen besuchen.«
»Sandy? Ach, richtig. Ja, das wäre herrlich.«
Grinsend und winkend verließ Roger das Haus, was dem Major zeigte, dass sein sarkastischer Ton unentdeckt geblieben war. Er winkte zurück und sah seinem Sohn nach, der glücklich und in der Überzeugung, die Aussicht auf den bevorstehenden Besuch werde seinem Vater Auftrieb geben, davonfuhr.
Allein im Haus, spürte er seine ganze Müdigkeit, die ihn wie mit Eisenketten umschlang. Er überlegte, ob er sich noch auf einen belebenden Brandy
Weitere Kostenlose Bücher