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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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ins Wohnzimmer setzen sollte, aber im Kamin brannte kein Feuer, und das Haus erschien ihm plötzlich düster und kühl. Er beschloss, gleich zu Bett zu gehen. Die enge Treppe mit dem ausgebleichten Orientläufer wirkte so steil und unwegsam wie der Hillary Step auf dem Mount Everest. Er stützte den Arm auf das glänzende Nussbaumgeländer und begann, sich die schmalen Stufen hinaufzuschleppen. Eigentlich hielt er sich für ziemlich gesund und achtete darauf, jeden Tag sein komplettes Programm an Dehnübungen zu absolvieren, wozu auch mehrere tiefe Kniebeugen gehörten. Heute jedoch musste er – wegen der übergroßen Belastung, wie er vermutete – auf halber Höhe der Treppe stehen bleiben, um zu verschnaufen. Ihm schoss die Frage durch den Kopf, was geschähe, wenn er jetzt ohnmächtig werden und stürzen würde. Er sah sich schon kopfüber, alle viere von sich gestreckt und blau im Gesicht, quer über den untersten Stufen liegen. Tage konnten vergehen, bis man ihn fand. Daran hatte er noch nie gedacht. Er lockerte seine Schultern und straffte den Rücken. Es war lächerlich, jetzt daran zu denken, sagte er sich tadelnd. Welchen Sinn hatte es, sich wie ein armer alter Mann aufzuführen, nur weil Bertie gestorben war? Die restlichen Stufen überwand er mit so gleichmäßigen, flüssigen Bewegungen, wie es eben ging. Erst als er im Schlafzimmer angelangt und erleichtert auf das breite, weiche Bett gesunken war, erlaubte er sich, ein wenig zu japsen und zu schnaufen.

[home]
    Drittes Kapitel
    Z wei Tage vergingen, ehe dem Major bewusst wurde, dass Mrs. Ali nicht vorbeigekommen war, um nach ihm zu sehen, und dass er darüber eine gewisse Enttäuschung empfand. Der Wucht nach zu urteilen, mit der die
Times
vor die Haustür geworfen wurde, ging es dem Zeitungsjungen wieder ganz ausgezeichnet. Allerdings bekam er durchaus anderen Besuch. Alice Pierce, seine Nachbarin, war tags zuvor mit einer selbstgemalten Kondolenzkarte und einer Auflaufform erschienen, die, wie sie sagte, ihre berühmte vegetarische Bio-Lasagne enthielt, und hatte ihm erzählt, dass alle im Dorf vom Tod seines Bruders wüssten. Die bräunlich grüne Pampe hätte ausgereicht, um eine ganze Armee vegetarischer Bio-Freunde zu verköstigen, aber da er, im Gegensatz zu Alice, keine unkonventionellen Freunde hatte, fermentierte das Zeug jetzt im Kühlschrank vor sich hin und gab seinen unangenehmen Planktongeruch an die Milch und die Butter ab. Und heute war Daisy Green, die Frau des Gemeindepfarrers, unangekündigt mit ihrer üblichen Entourage angerückt – Alma Shaw und Grace DeVere von der für den Blumenschmuck in der Kirche verantwortlichen Flower Guild. Sie hatten darauf bestanden, ihm in seinem eigenen Haus eine Tasse Tee zu machen. Normalerweise kicherte der Major immer in sich hinein, wenn er diese Dreieinigkeit von Damen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe – der Kontrolle des gesamten Dorflebens – beobachtete. Daisy hatte den schlichten Titel »Flower-Guild-Vorsitzende« an sich gerissen und agierte mit seiner Hilfe ganz nach dem Motto
noblesse oblige.
Die anderen beiden Damen schwammen wie ängstliche Entchen in ihrem Kielwasser, während sie selbst umherflatterte, unerbetene Ratschläge erteilte und belanglose Anweisungen gab, denen zu folgen den Leuten aus irgendeinem Grund leichter fiel, als sich ihnen zu widersetzen. Es amüsierte den Major, dass Pater Christopher, Daisys Mann, tatsächlich glaubte, er würde sich seine Predigtthemen selbst aussuchen, und Alec Shaw, ein pensionierter Angestellter der Bank of England, von seiner Frau Alma gezwungen worden war, im Halloween-Komitee mitzuwirken und das Jugendturnier der Boulespieler auf der Dorfwiese auszurichten, obwohl er fast schon im medizinischen Sinn allergisch gegen Kinder war. Weniger amüsiert zeigte sich der Major jedoch, wenn Daisy und Alma ihre Freundin Grace einspannten und sie darum baten, bei diversen Wohltätigkeitsveranstaltungen Harfe zu spielen oder die Leute am Eingang zu begrüßen, und bestimmte andere alleinstehende Damen mit dem Garderobendienst oder dem Teeausschank betrauten. Selbst heute hatten sie sich miteinander verschworen, um ihre Freundin vorzuführen, denn Grace war aufs feinste zurechtgemacht. Helles Puder und ein kleinmädchenhafter rosa Lippenstift ließen ihr etwas längliches Gesicht pergamenten aussehen. Unterhalb des linken Ohrs hatte sie sich ein neckisches Halstuch zu einer Schleife gebunden, als wäre sie auf dem Weg zu einer Party.
    Dabei war

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