Mrs Murphy 05: Herz-Dame sticht
mir immer, ich soll still sein, wenn ich höflich bin?« Tuckers Ohren zuckten vor und zurück.
»Ich muss machen, dass ich zum Winners’ Circle komme. Ah, da kommt mein Ritter in schimmernder Rüstung.«
Jim Sanburne kam im Landrover angefahren. »Komm, steig ein, mein Herz.«
Larry lachte. »Gut gemacht, Mim die Mächtige!«
»Hi, Jungs.« Harry steckte den Kopf zum Fenster hinein. »Sagt Fair, er soll das Pferd untersuchen, das Linda geritten hat. Es sieht sehr mitgenommen aus.«
»Wird gemacht«, sagte Larry Johnson, während Jim seiner Frau, die auf den Vordersitz rutschte, einen Kuss gab.
Larry Johnson stieg nach hinten, und als Mim ihre attraktiven Beine hineinschwenkte und dicht nebeneinander stellte, wie es sich für eine wohlerzogene Südstaatenlady gehörte, hatte Harry einen Augenblick lang eine Ahnung, wie Mim gewesen sein musste, als sie jung war: anmutig, zurückhaltend, liebreizend. Der Liebreiz hatte sich in tadellose Aufmachung verwandelt, als sie die 39,999 erreicht hatte und dort verweilte … wie Miranda Hogendobber es ausgedrückt hatte, als sie selbst sechzig wurde. Dass Mim von jeher tyrannisch war, gehörte in dieser Stadt so sehr zu den Selbstverständlichkeiten des Lebens, dass kaum noch jemand ein Wort darüber verlor. Wenigstens stellte sie ihre Tyranneien in den Dienst von Belangen, die über ihr eigenes Ego hinausgingen.
Harry ging zu Mims Baum und lehnte sich an die raue Rinde. Tucker setzte sich ihr zu Füßen. Die Temperatur stieg auf fünfzehn Grad, der Himmel war knallblau und mit sahnefarbenen Wolken durchsetzt. Harry fühlte sich seltsam schlapp.
Miranda, deren Golfschuhe ihr festen Halt auf dem Gras gaben, schritt geradewegs über den Hügel, duckte sich unter dem Innenrail hindurch, überquerte die Bahn und duckte sich unter dem Außenrail durch. Ihr Schottenrock, der von einer großen Messingnadel gehalten wurde, vervollständigte einen Aufzug, den sich nur Miranda ausdenken konnte. Das ganze Outfit raunte »Landleben«, abgesehen von der jägergrünen Baskenmütze, auf der Miranda bestand, weil sie es nicht leiden konnte, wenn der Wind ihre Frisur in Unordnung brachte. »Federn sind nichts für mich«, hatte sie verkündet, als sie Harry auf der Farm abholte. Harrys Vorstellung von einer Kopfbedeckung war ihre Baseballmütze vom Smith College oder ein uralter verbeulter Cowboyhut, den schon ihr Vater getragen hatte.
»Abgeschlafft?« Miranda setzte sich bedachtsam neben sie.
»Hm, mein täglicher toter Punkt.«
»Meiner kommt um vier, was Sie nur zu gut wissen, weil ich mich dann immer auf den Stuhl fallen lasse und Sie zwinge, Tee aufzubrühen.« Miranda faltete die Hände. »Ist das ein Trubel dort. Ich habe noch nie so viele Menschen gesehen, und Mim kann keinen Schritt vor oder zurück machen. Das hier ist ihr Montpelier.«
»Scheint so.«
»Ist das nicht wunderbar mit den Valiant-Kindern?« Miranda bezeichnete sie als Kinder, obwohl beide über zwanzig waren. »Sie geben Mim, was sie sich wünscht – Sieger!«
»Hm-hm.«
»Wenn ich daran denke, was diese beiden jungen Leute durchgemacht haben – also, unfassbar. Beide Eltern verloren, als sie noch Teenager waren. Dabei muss ich an den vierzigsten Psalm denken.« Sie verfiel in ihren pastoralen Ton. »›Ich harrte des Herrn; und er neigte sich zu mir und hörte mein Schreien und zog mich aus der grausamen Grube und aus dem Schlamm und stellte meine Füße auf einen Fels, dass ich gewiss treten kann -‹« Sie verschnaufte.
Harry warf ein: »Miranda, wie können Sie sich so viel merken? Sie könnten zwei Wochen ohne Pause aus der Bibel zitieren.«
»Ich liebe die Heilige Schrift. Wenn Sie in meine Kirche vom Heiligen Licht kämen, würden Sie sehen, weshalb ich meine Stimme erhebe -«
Harry unterbrach sie wieder. Das war nicht ihr Stil, aber sie hatte keine Lust auf einen religiösen Disput. »Ich komme zu Ihren Konzerten.«
Miranda, die eine schöne Stimme besaß, erwiderte: »Das ist wahr. Vergessen Sie nicht unser großes Liederfestival am dritten Wochenende im November. Ich wünschte, Sie würden zu einem richtigen Gottesdienst kommen.«
»Kann ich nicht. Das heißt, ich könnte, aber Sie wissen ja, ich gehöre zu Reverend Jones’ Herde.«
»Oh, Herbie, der Silberzüngige! Wenn er zur Kanzel hinaufsteigt, glaube ich, die Engel beugen sich herab, um zu lauschen. Trotzdem, die protestantische Kirche hat viele Makel, die« – sie bemühte sich, vorurteilslos zu klingen – »sich im Laufe der
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