Mrs Murphy 05: Herz-Dame sticht
hineinhastete.
»Harry.«
»Boom Boom.«
»Tut mir leid, dass ich im Supermarkt die Beherrschung verloren habe.«
»Na ja, bei einer Klopapierlawine kann das schon mal passieren.« Harry ging weiter die Treppe hinunter.
Boom Boom legte ihr die manikürte Hand auf die Schulter und hielt sie auf. »Miranda sagt, du kannst die nächste Stunde frei haben.«
»Ha?«
»Ich war gerade im Postamt und habe sie gefragt, ob ich dich für eine Stunde ausleihen kann.«
»Wozu?«
»Um dich mit zu ›Lifeline‹ zu nehmen.«
»Nein.«
»Harry, auch wenn du’s schrecklich findest, es ist ein Erlebnis, über das du später lachen kannst.«
Harry hätte Miranda gern verdroschen sowie Boom Boom, heute eine magentarote Vision in Kaschmir und Wolle, erwürgt. »Nein. So was kann ich nicht machen.«
»Du musst auf andere Menschen zugehen. Deine Ängste loslassen. Wir sind alle verknotet vor Angst.«
Harry atmete tief durch und schob Boom Booms Hand von ihrer Schulter. »Ich habe Angst zu sterben. Ich habe Angst, dass ich meine Rechnungen nicht bezahlen kann. Ich habe Angst vor Krankheit, und ich glaube, wenn ich schonungslos ehrlich bin, dass ich Angst habe, alt zu werden.«
›»Lifeline‹ kann diese Angst nicht nur bannen, es kann dich sogar lehren, sie in lebensintensivierende Erfahrungen zu verwandeln.«
»Guter Gott.« Harry schüttelte den Kopf.
Mickey Townsend trat hinter sie, einen Kreditbrief in der behandschuhten Hand. »Harry. Boom Boom. Harry, ist alles in Ordnung?«
»Nein! Boom Boom liegt mir permanent in den Ohren, dass ich mit ihr zu ›Lifeline‹ gehen soll. Ich will da nicht hin.«
»Ihr würdet staunen, wie viele Leute da hingehen.« Boom Boom klimperte mit den Wimpern. Harry nahm an, das galt Mickey.
»Ich bin nie zu ›Lifeline‹ gegangen, aber -« Er hielt inne. »Als Marylou verschwand, war ich bei Larry Johnson. Er hat mir Antidepressiva verschrieben, die mir das Gefühl gaben, als wär ich von einem Bulldozer überfahren worden, bloß, ich funktionierte einigermaßen. Ich hasste dieses Gefühl, deswegen habe ich eine Therapie gemacht.«
»Sie?«
»Da hast du’s!«, triumphierte Boom Boom.
»Halt den Mund, Boom. ›Lifeline‹ ist keine Therapie.«
»Hat es geholfen? Bestimmt.« Boom Boom lächelte überschwänglich.
Mickey senkte seine ohnehin schon leise Stimme. »Ich habe herausgefunden, dass ich ein richtiger Schweinehund bin, und wissen Sie, was ich noch herausgefunden habe?« Er neigte sich Boom Boom entgegen und flüsterte: »Das gefällt mir.«
Harry lachte, und Boom Boom trällerte, über die Situation erhaben: »›Lifeline‹ könnte Ihnen guttun.«
»Ein einfacher Scotch könnte mir auch guttun.« Er tippte an seinen Hut. »Meine Damen.«
Noch lachend verabschiedete sich Harry von ihrer verbesserungswütigen Peinigerin.
»Weißt du was, Harry?«, rief Boom Boom ihr nach. »Es geht hier um Prozesse, nicht bloß um Individuen. Prozesse. Die Wege, nicht die Ziele. Es gibt positive Prozesse und negative Prozesse. Nimm Mickey Townsend. Seit die ganze Stadt sich gegen ihn gewendet hat, weil er Marylou den Hof machte – negativer Prozess.«
Harry blieb stehen und drehte sich um. »Was hast du gesagt?«
»Prozess!«, rief Boom Boom.
Harry hob beschwichtigend die Hände. »Ich höre dich. Ich glaube, mir ist etwas entgangen.«
»Eine Menge.«
»Komm auf Marylou zurück.«
»Erst, wenn du mit mir zu ›Lifeline‹ gehst.«
»Hör zu, ich muss jetzt packen, ich fahre übers Wochenende nach Camden. Ich hab keine Zeit, mit dir zu ›Lifeline‹ zu gehen. Sprich jetzt mit mir über Prozesse. Ich verspreche dir mitzugehen, wenn ich zurück bin.«
»Gib einen Zeitraum an.«
»Hä?«
»Du könntest zurückkommen und sagen, du gehst nächstes Jahr mit.«
»In einer Woche.«
Boom Boom trat begeistert näher und baute sich, Harry um einiges überragend, vor ihr auf. »In der Isolation geschieht nichts. Alle Emotionen sind miteinander verbunden wie Glieder einer Kette. Marylou Valiant kam ohne ihren Mann nicht zurecht. Sie trank zu viel. Verschwendete Geld. Das hat Arthur auf den Plan gerufen, der sie liebte. Er hat den gierigen Filmstar weggejagt, und was passiert? Sie verliebt sich in Mickey Townsend.«
»Und?«
»Ein Prozess. Kein Mensch stellt sich unmittelbar seinen Emotionen und lässt sie los. Arthur wird verbittert. Er zieht Chark auf seine Seite. Mickey zieht Addie auf seine Seite. Die Männer kämpfen um Marylou und benutzen ihre Kinder als Waffen.«
Harry schwieg
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