Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Gejohle aus. Doch das Gebäck verfehlte sein Ziel um Längen und landete zwei Meter von Minnie entfernt. Miss Minnie machte eine obszöne Geste in Sharons Richtung, und dann schrien sich die beiden noch eine Weile länger an. Little Earl seufzte noch einmal und machte die Restauranttür auf, um draußen den Schiedsrichter zu spielen.
Clarice, Barbara Jean und ich sahen uns verstohlen an, und jede suchte nach einem Vorwand, der nicht nach bloßer Neugier aussah, um Little Earl hinaus zu folgen.
Barbara Jean fiel als Erste etwas ein. Sie sagte: »Ich hoffe, Veronica ist bald hier. Sharon braucht jetzt Familienunterstützung.«
»Ich würde ihr ja gern meine Schulter zum Ausweinen anbieten«, erwiderte Clarice sofort, »aber ich fürchte, sie würde es wahrscheinlich als bloße Einmischung empfinden. Und ich will auch nicht, dass Veronica denkt, ich würde meine Kompetenzen überschreiten. Ihr wisst doch, wie sie manchmal sein kann.«
»Unsinn«, konterte ich eifrig. »Wenn du eine Blutsverwandte bist, ist es keine Einmischung. Dann ist es deine Familienverantwortung.«
»Und deine christliche Pflicht«, fügte Barbara Jean hinzu.
»Meint ihr wirklich?« Clarice sagte es, als müsse sie noch überzeugt werden, aber sie stand bereits auf und visierte die Tür an.
»Ich komme mit«, sagte Barbara Jean schnell, »… als moralische Unterstützung.«
Da auch ich mich nicht gern von einer Mission in christlicher Barmherzigkeit abhalten ließ, folgte ich ihnen auf den Fuß. Tatsächlich war ich sogar fast schneller an der Tür als Clarice.
Als wir Miss Minnies Vorgarten erreichten, hatte Little Earl seine Kappe abgenommen und fächelte sich damit Luft zu. »Minnie, bitte«, sagte er flehentlich, »geh wieder zurück ins Haus. Dann trinken wir was Kühles und bereden alles.«
»Ja, das würde dir so passen, was?«, keifte Minnie. Dann an uns, die Supremes, und die anderen Zuschauer gerichtet, die sich nun auch entschlossen hatten, das All-You-Can-Eat zu verlassen und der Hitze zu trotzen, um eine bessere Sicht auf die Geschehnisse zu bekommen, rief sie: »Das würde euch allen so passen, was? Ihr wollt doch bloß sehen, dass ich diesen Tag überlebe und damit meine hellseherische Gabe in Frage stelle.«
Sharon schrie auf: »Gabe? Das soll wohl ein Witz sein!« Dann schleuderte sie einen Donut mit Puderzucker auf Minnie. Diesmal zielte sie gut. Sie traf Minnie an der Brust, und das Wurfgeschoss hinterließ einen kreideweißen runden Fleck auf Minnies lila Robe.
Da hörte ich plötzlich Reifenquietschen hinter uns und dachte mir: Veronica ist aber schnell hier . Doch als ich über die Schulter blickte, sah ich anstatt Veronicas schnittigem grauem Lexus einen verrosteten alten Chevy, der klappernd zum Stehen kam. Yvonne Wilson, die ergebenste Anhängerin von Minnies Wahrsagefähigkeiten, sprang mit einem Baby auf dem Arm aus dem Wagen. Ihr Freund und die sechs wenig aussichtsreichen Kinderstars, die Yvonne bereits zur Welt gebracht hatte, nachdem Minnie ihr prophezeit hatte, dass eines davon sie reich machen würde, drängten nach ihr aus dem Auto.
Völlig außer Atem rannte Yvonne vor Sharon und japste: »Springen Sie nicht, Miss Minnie! Bitte springen Sie nicht. Als ich gehört habe, dass Sie auf dem Dach stehen, wäre ich beinahe tot umgefallen vor Schreck. Sie können nicht springen, bevor Sie nicht mein neues Baby gesehen haben.« Dann hielt sie das Kind hoch, so dass sein zerknautschtes Gesicht auf Minnie und die Sonne gerichtet war. »Springen Sie nicht, bevor Sie mir gesagt haben, ob es diesmal das besondere Kind ist!«
Miss Minnie knurrte: »Geh weg, Yvonne. Um deinen Kram kann ich mich jetzt wirklich nicht kümmern.«
Yvonne schwenkte das Baby, das zu weinen angefangen hatte, durch die Luft. »Aber ich muss es wirklich wissen!«
Minnie stützte die Hände in die Hüften, verzog genervt den Mund und rief nach unten: »Carl der Großartige sagt nein. Versuch’s noch mal.« Dann breitete sie erneut die Arme aus und schob sich mit ihren Schnabelschuhen noch weiter an die Dachkante heran.
Yvonne drückte das mittlerweile brüllende Baby ihrem Freund in die Hand, der bereits einen weiteren ihrer Sprösslinge hielt. »Verdammt!«, sagte sie. »Lass uns heimfahren.« Zu neunt quetschten sie sich wieder in den verrosteten Chevy und fuhren scheppernd davon.
Als ich Yvonnes Familie in ihrem klapprigen, qualmenden Wagen verschwinden sah, musste ich an Mama denken. Ich wünschte mir, ich könnte dieses Ereignis
Weitere Kostenlose Bücher