Muckefuck
einem Sanitätsfeldwebel durchgebrannt, der hier in einem Lazarett Dienst tat und Fresspakete aus Österreich per Lazarettzug bekam. So sorgte Gigi auch noch für den Haushalt, mit Schlangestehen nach den kärglichen Zuteilungen auf Lebensmittelkarte.
Einen alten Tom-Shark-Schmöker hatte ich in unserer Laube wiedergefunden: Der Sarg im Brunnenschacht. Den las ich, mit Interesse verfolgend, wie Tom Shark in den alten Brunnen kletterte, die Wände abklopfte und schließlich eine Geheimtür entdeckte, die sich durch Druck auf eine bestimmte Fuge öffnete. Würde Tom Shark dahinter den Sarg finden?
Es klopfte. Ich öffnete. Gigi war draußen, in Uniform; mit mostrichfarbener Jacke und dunkelblauem Rock, einen alten Regenmantel darüber, der offen stand und sie umwehte.
»Ich bins«, sagte sie überflüssigerweise. »Kommst du rüber? Friedrich und ich haben ’ne Flasche Schnaps.«
Ich machte schnell ein Eselsohr in den Tom Shark, Seite 42, und ging hinter Gigi her durch den sausenden Wind, zwischen verdunkelten Lauben hindurch, aus denen kein Laut drang.
In Gigis Laube brannte nur eine Vierzigerfunzel auf der Kommode. Den Tisch beleuchtete ein flackernder Kerzenstummel, blau, also wahrscheinlich eine VDA-Kerze, fünfzig Pfennige, Reinerlös zugunsten des Vereins der Auslandsdeutschen. Gute Vorkriegsware. So was lag überall herum.
Am Tisch saß Friedrich in einem Sessel, das lädierte Bein hochgelegt, die Krücken neben sich. Er trug Uniform, das neu glänzende silberne Verwundetenabzeichen neben dem schwarz-weiß-roten Band des E.K. zwei auf der Brusttasche. Die Feldbluse hatte Friedrich längst aufgeknöpft, die Enden der Halsbinde baumelten links und rechts herab, und über dem wehrmachteigenen Unterhemd war die Erkennungsmarke sichtbar. Aus der Schnapsflasche auf dem Tisch fehlte fast ein Viertel, und Friedrich hatte glänzende Augen. Der Volksempfänger auf der Kommode dudelte die Filmmusik aus Stukas.
»Komm, setz dich, bedien dich.« Er schob mir die Schnapsflasche und ein leeres Glas zu. Gigi zog ihren Regenmantel aus und die Mostrichjacke und setzte sich auch. Ich füllte ihr Glas und meins. »Auf den Endsieg.« -»Prost.«
Ich deutete auf Friedrichs Bein: »Wo hast du dir das geholt?«
»Ardennenoffensive. Wir hatten den Amis schon das Rennen beigebracht. Nebel und Regen, da konnten sie mit ihrer Luftwaffe nichts werden. Aber dann rissen die Wolken auf, und sie hauten uns alles rein, was sie finden konnten. Jabos und Tiefflieger.«
Gigi wollte wissen, was Jabos sind. Gemeinsam erläuterten Friedrich und ich ihr den Kampfauftrag von Jagdbombern. Gigi saß ganz still. Unter dem Tisch berührten sich unsere Knie. Friedrich fuhr fort:
»Unser Panzer hatte Kettenschaden. Unter Tieffliegerbeschuss mussten wir aussteigen. Ich hatte schon ein Bein im Turm, als uns so eine Mohawk einen Treffer verpasste. Vom Luftdruck flog das Luk zu und zerquetschte mir das Bein. Der Rest waren ein paar Splitter, gleichmäßig verteilt.«
»Und? Wird das Bein wieder?«
»Ich glaube schon. Kann von Glück sagen, dass sie es mir nicht abgenommen haben. Jetzt flicken die Ärzte die Nervenenden wieder zusammen. Sie meinen, es wird zwar steif bleiben, aber gehen kann ich wieder damit.« Er deutete auf die Krücken: »Später.«
Der Volksempfänger war jetzt bei Marlene Dietrich angelangt. Sie sang: Männer umschwürrrn mich – wie Motten das Lüüücht. Die VDA-Kerze flackerte. Friedrichs Kopf sank seitwärts. Sein Mund stand offen. Er schlief. Gigi trank mir zu. Legte den Finger an die Lippen. Wir küssten uns über den Tisch hinweg, was schwierig war, wegen der Entfernung und der Schnapsflasche. Ich stand leise auf und kniete mich neben ihren Stuhl. Wir küssten uns wieder, sie beugte sich zu mir herab, ich reckte den Hals. Ich zog sie hinab auf den Teppich. Sie nahm die Schnapsflasche und die Gläser mit hinunter. Wir tranken weiter. Unter dem Tisch hindurch konnte man Friedrichs gesundes Bein sehen. Wir lagen nebeneinander, Gigis rote Haare auf dem Muster des falschen Persers, blaue und modfarbene Ranken, von roten Streifen begrenzt. Nach innen hin, kaum mehr erkennbar unter dem Tisch, vergrößerten sich diese Ranken. Ich öffnete Gigis Bluse, schob den Büstenhalter hoch. Eine Brust, so klein wie ein Taubenei. Meine Hand erforschte ihren Körper. Gigi ließ sich alles gefallen, küsste mich. Schlang ihre dünnen Arme um meinen Hals. Plötzlich fiel eine von Friedrichs Krücken um. Im Schlaf hatte er wohl an sie
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