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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Stempel vom Wehrkreiskommando, das erst einmal, uns zwanzig Entlassene betreffend, keine neuen Ideen produzierte.
    Eines Nachmittags tauchte mein Vetter Millie bei uns auf, den ich zwei- oder dreimal gesehen hatte, als Kind. Millie war fast ein Zwerg, was ihn veranlasst hatte, die Karriere eines Rennjockeys einzuschlagen. Millie ritt erfolgreich Galopprennen, in Königsberg, in Hoppegarten, sogar in Paris, Deauville und Leningrad war er in Friedenszeiten gewesen, und etliche Male hatte er gewonnen. Millie war beliebt. Der Kronprinz kannte ihn persönlich.
    Millie trug jetzt Uniform, eine schicke Extraanfertigung, weil ihm die gängigen Größen nicht passten. Irgendjemand hatte, solange der Krieg nun schon dauerte, seine schützende Hand über Millie gehalten. So war er jetzt Kavallerieausbilder, in der Heeres-Reit-und-Fahrschule Crampnitz. Trotz Panzerschlachten ging der Dienst zu Pferde dort weiter.
    »Millie, wir haben dich ja lange nicht gesehen«, sagte Großmutter. »Was hast du denn da in dem Sack?«
    In der Tat schleppte Millie einen riesigen Sack hinter sich her, vielleicht nur ein Sack normaler Größe, aber neben dem winzigen Millie sah der Sack gewaltig aus. In dem Sack schepperte es.
    »Hier drin«, sagte Millie, »sind meine Rennpokale. Alles Silber. Echt.«
    »Millie, du kannst sie gerne bei uns in den Keller stellen«, sagte Großmutter. »Bis Kriegsende.«
    »Damit die Russen sie schnappen? Ich habe eine bessere Idee! Aber das ist nichts für Damen! Komm, Karl.«
    Millie ließ seinen Sack im Flur stehen. »In die Veranda«, sagte er. »Schneller als sonst.« Millie war groß im Sprücheklopfen. »Und mach’ die Tür zu. Sonst haben wir die auf dem Hals.«
    Mit die meinte er Großmutter und Minnamartha.
    Millie erläuterte mir seinen Plan. Er war der Meinung, dass er die Pokale nicht durch die Wirren der nächsten Monate bringen würde. »Warum«, Millie sah mich durchdringend an, »warum die Dinger nicht versaufen? Alles Silber. Massiv. Mindestens dreihundertdreiunddreißig gestempelt. Wir ziehen in ›Zehntausend Millimeter unter der Erde!‹. Weißt du, was das ist?«
    Wusste ich nicht.
    »Das ist die Reiterbar. In der Friedrichstraße. Ganz en vogue.« Er sagte wirklich »en vogue!« – »Nur Kavallerie. Beste Truppe. Wir machen geschlossene Gesellschaft. Heute Abend. Kommst du mit? Zieh Zivil an! In der Kinderkluft mit dem Luftwaffenpieps lassen sie dich nicht rein.«
    »Was ihr schon wieder vorhabt!«, jammerte Minnamartha. »Sicher gibt es doch Alarm!«
    Millie hatte sogar einen Dienstwagen organisiert, Opel Kadett mit Chauffeur. Den Silbersack hinten draufgeschnallt, fuhren wir ab, Richtung Friedrichstraße. Überall Trümmer. Der Fahrer kurvte herum, um einen Weg zu finden. Endlich setzte er uns ab. Stadtmitte. »Duster wie in ’ner Negerinnenmöse, wie?«, witzelte Millie. Irgendwo fand er eine Tür in zerborstener Mauer, eine Treppe. Er schleifte den klingelnden Sack hinunter. Ich vorsichtig hinterher.
    Dann ging eine zweite Tür auf, unten war Licht, ein bisschen jedenfalls, aber nach der Treppe kam es mir hell vor, und Plüsch war da, Sofas, kleine Marmortische. Der ganze Laden voller Leute, die brüllten, Millie umarmten, ihm den Sack entrissen. Drei Mann machten Musik. Spielten sofort: »Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen, klein Häuschen.« Millies Plan schien allgemein bekannt zu sein. »Jetzt fahren wir voll ab. Jungs«, klopfte Millie seine Sprüche. »In die Vollen!«
    Die erste Lage rollte, Bier und Korn. Langsam unterschied ich: Die meisten waren hier in Uniform. Ein paar höhere Tiere dabei, immerhin silberne Schnörkel auf den Schultern. Aber sie alle sagten du zu Millie, der nur eine Obergefreitenuniform trug. George, englisch ausgesprochen, man denke, war der Barmann. Jagdflieger, aber mit Malaria. Aus Libyen mitgebracht. Fliegen ging nicht mehr. Schmiss er also hier den Laden. Zwischen den Uniformierten und den Zivilheinis räkelten sich ein paar Damen, alle in Seide. Lange Kleider. So was hatte ich überhaupt noch nicht gesehen. Millie forderte mich auf, zu trinken. »Mach’ mit, Junge. Gieße dir einen auf die Lampe, sagt Mampe. Noch ist Polen nicht verloren!«
    Nach ein paar Korn, doppelten, kam mir alles nicht so fremd vor. Ein Oberst holte mich väterlich über meine militärische Laufbahn aus. Die Dame, die neben ihm saß, rauchte Zigaretten mit goldenen Mundstücken und sagte ab und zu: »So jung noch. Mein Gott, so jung noch!« Sie tanzte mit Millie

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