Muehsam ernaehrt sich das Eichhoernchen - Zum Glueck bin ich keins
Plan nicht aufgegangen ist … In Jork lernte ich einerseits verschiedenste Apfelsorten und andererseits den Holger kennen. Ich glaube, es war auf einem Spielplatz, und irgendwie mochten wir uns sofort. Ich seh heute noch vor mir, wie ich mir in der Garage seiner Eltern die Taschen mit Kreide vollstopfe. Dazu muss man wissen, Holger war verrückt. Verrückt nach Kreide. Er mochte nichts lieber. Doch das war mir damals wohl nicht so ganz klar. Als Holger meine überquellenden Hosentaschen sah, rannte er los und hämmerte seinen Kopf mehrfach gegen das Garagentor. Stinksauer vor Wut wegen meines dreisten Diebstahls.
Freunde bestiehlt man nicht. Das habe ich an diesem Tag gelernt.
Dazu kamen noch ein toter Frosch und Schokolade.
Ebenfalls in meiner Hosentasche.
Zusammengefasst: Der Beginn unserer Freundschaft war also, wie es sich für Norddeutsche gehört: herb bis unterkühlt. Aber die Tatsache, dass er seinen und nicht meinen Kopf gegen das Garagentor hämmerte, war ein Schritt in die richtige Richtung. *
* Um bei der Wahrheit zu bleiben, muss ich sagen, dass es doch mein Kopf war, den Holger gegen das Garagentor geschlagen hat. Es gab aber drei Gründe, das im Text anders darzustellen.
1. Ich wollte Holger nicht der maßlosen Gewalt bezichtigen.
2. Ich wollte nicht als schwächliches Prügelopfer dastehen.
3. Ist die Geschichte so schlichtweg lustiger.
Der etwas holprige Start hat unserer Freundschaft allerdings nicht geschadet. Holger gehört noch heute zu meinen besten Kumpels, und ich ziehe gerne mit ihm um die Häuser, und mindestens dreimal im Jahr treffen wir uns zum Fußballspielen bei den »Borsteler Wasserratten«. Komischer Name. Borstel heißt der Club, weil im gleichnamigen Stadtteil von Jork gespielt wird. Wasserratten, weil Bierratten in Jork noch keine gesehen wurden. Aber auch hier liegt, wie man im Fußball sagt, die Wahrheit auf dem Platz. In diesem Fall aber eher im Wasser, denn unser Bolzplatz liegt sehr nah an der Binnenelbe, und der Ball landet immer mehr im Wasser als im Tor. Ich habe wirklich keine Ahnung, warum. Wir sind doch allesamt Spitzenfußballer, wenn wir denn wollen. Ich muss ehrlich sagen, dass bei uns früher nicht immer das Spiel im Vordergrund stand, sondern eher der Spaß im Allgemeinen. So hatte es auch nicht nur Nachteile, wenn der Ball im Wasser landete. Einerseits war es Ehrensache, dass wir nicht nur einfach in die braune Brühe liefen, um den Ball rauszuholen, nein, wir schwammen natürlich mit vollem Körpereinsatz durch das braune Nass.
Das war der eine Spaßfaktor.
Zum anderen hatte derjenige, der den Ball ins Wasser geschossen hatte, Bier holen zu gehen.
Der andere Spaßfaktor!
Und wahrscheinlich ist dies auch genau der Grund, warum wir Topfußballer so oft und gern ins Wasser geschossen haben: unser nicht enden wollender Durst. An unseren spielerischen Fähigkeiten kann es nicht gelegen haben. Wir sind wahre Fußballhelden.
Die großen Helden des Fußballs haben ja ihre Spitznamen: Pele, der Kaiser, und Borstel hat »Eagle Eye«. Ja, Holger hat es zu etwas gebracht. Allerdings trifft dieser Spitzname jetzt nicht mehr so ganz zu. Das liegt einfach daran, dass der Gute mittlerweile halb blind ist. Beim Fußball nicht gerade ein Vorteil. Mit einem anderen meiner Kumpels würde »Eagle Eye«-Holger übrigens ein Spitzenteam abgeben. Der ist nämlich halb taub. Ich sag nur »Eagle Eye« und »Mono«. Mono, weil er auf einem Ohr nicht mehr hören kann. Keine Chance mehr auf Stereo. Von Dolby Surround will ich gar nicht erst anfangen. Fest steht dennoch: Wenn ich jemals einen Film drehen sollte, würde ich ihn genau so nennen: »Eagle Eye und Mono«. Dagegen wären Winnetou und Old Shatterhand nichts. Naja, ich mag meine Jorker Jungs wirklich sehr. Die sind meine besten Kumpels. Ich hab viele Kumpels. Das ist mir auch wichtig, aber wenn es mir jetzt mal so richtig schlecht gehen würde, dann wüsste ich nicht wirklich, wen ich da anrufen sollte. Als ich vor meinem Wechsel nach Köln noch in Hamburg gewohnt habe, da hatte ich noch einen besten Freund, glaube ich. Wenn es da mal Liebeskummer gab, dann konnte ich den anrufen und mit ihm um die Häuser ziehen. Aber mittlerweile trag ich solche Themen doch eher mit mir selbst aus. Einen Kerl, mit dem ich über Probleme labern kann, habe ich heute leider nicht mehr. Das kann natürlich auch daran liegen, dass meine seit Jahren gefestigten Freundschaften in Hamburg oder Jork liegen und wir uns durch den Job in Köln
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