Muehsam ernaehrt sich das Eichhoernchen - Zum Glueck bin ich keins
Himmelsrichtungen kommen sie an und rufen mich beim Namen: »Hey Elton, grüß Stefan« oder »Hey Elton, machen wir ein Foto?« So klingen die Rufe, wenn ich mich irgendwo in der Öffentlichkeit bewege. Ob es Spaß macht, in diesen Momenten Elton, die öffentliche Person, zu sein? Ich zu sein? Eine Frage, die ich gar nicht so richtig beantworten kann. Aber was ich sicher weiß, ist: Ich bin nicht schwul. Wer sieht denn im deutschen Fernsehen wirklich oft verschwitzt und unrasiert aus und rennt in den herrlichsten Dickmacher-T-Shirts rum? Da fällt mir eigentlich nur einer ein: ich. Das merk ich spätestens beim Blick in den Spiegel. Als Schwuler würde ich, glaube ich, einen Tick mehr auf mein Äußeres achten. Zudem wären die T-Shirts dann auch etwas bunter. So wie beim Kollegen Dirk Bach. Warum also rufen sie mich › schwule Sau ‹ ? Nur weil ich beim Fernsehen bin?
Angefangen hat das alles, als ich ein Videotape mit drei Folgen »Elton Street« zu Brainpool geschickt habe. Es gab ja auch eine Zeit vor »TV total«. Und da habe ich Blödsinn im Hamburger Lokalfernsehen gemacht und wollte die Profis von Raab eigentlich nur mal fragen, ob das denn gut ist, was ich da so anstelle. Andere Hintergedanken hatte ich nicht. Das war keine Bewerbung. Ich war und bin überhaupt kein Beißer, kein Kämpfer, der mit allen Mitteln Karriere machen will. Aber diese Leute gibt es. Die hängen den Produzenten und Senderchefs an den Lippen, wollen heute dieses und morgen jenes machen und lachen über jeden noch so schlechten Witz der oberen Topentscheider. Wer ’ s braucht. Es ist mir nicht nur zuwider, mir ist derartiges Geschleime schlicht und einfach auch zu anstrengend.
Es war meine Mutter, die mich zu meinen ersten Schritten im Fernsehen getrieben hat. Wie jede normale Mutter wollte auch meine, dass aus ihrem Jungen etwas Ordentliches wird. Mit dem Unterschied, dass sie eben nicht ganz normal ist und mich im Gegensatz zu vielen anderen Müttern gerne der gefährlichen Medienbranche überließ. »Irgendwas mit Medien machen«, waren damals ihre Worte. Und glaubt mir: Ich bin heilfroh, dass es damals noch keine Formate wie »DSDS« oder »Germany ’ s next Topmodel« gab – denn auch das hätte sie mit Sicherheit als einen Weg zu einem »irgendwas mit Medien«-Job betrachtet. Am Ende hätte ich wahrscheinlich noch gewonnen und wäre heute »Germany’s next Topmoppel«! Dann würde ich jetzt dem Calli auf der Alm in Zeitlupe entgegenrennen, und dann würden wir uns mit Joghurt einreiben. Jetzt macht das halt die Barbara Meier. Irgendwann fing Mutter an, mir Stellenanzeigen von Radio- und Fernsehfirmen aus der Zeitung auszuschneiden und ins Zimmer zu legen. Ich sollte unbedingt Bewerbungen schreiben. Das waren die Tage, an denen ich mein Zimmer immer weniger mochte. Bisher konnte ich darin ungestört abhängen, rumpupsen, schlafen, trinken, onanieren. Mein Zimmer war meine kleine heile Welt, und jetzt lagen da plötzlich diese Jobanzeigen. Hätte ich ins Erpressergeschäft einsteigen wollen, wäre Mutter jedenfalls eine Spitzen-Buchstaben-Ausschneidehilfe gewesen. »Bewerbungen schreibe ich eigentlich nicht so gerne«, war meine einfache, aber ehrliche Ausrede. Getoppt habe ich sie noch durch: »Ich bin dafür auch viel zu faul.« Beide Ausreden fand meine Mutter allerdings nicht überzeugend genug. Also musste ich mich bewerben, was ich auch tat – ab und zu. Lustlos. Ich hatte einfach keinen Bock. Einmal aber nahm ich meinen Karo-Schreibblock mit hellbraunem Ökopapier und rang mich zu folgenden Worten durch: »Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin teamerprobt, weil ich Fußball spiele. Ihre Stellenanzeige interessiert mich sehr, und ich würde gerne da arbeiten. Mit freundlichen Grüßen – Alex Elton Duszat.« Ein paar Tage später erreichte mich eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bei Cleopatra Film, die für das Lokalfernsehen Hamburg 1 produzierte. Die müssen mich anscheinend komplett falsch verstanden haben. Naja, ich bin trotzdem hingegangen.
»Fragen Sie sich eigentlich gar nicht, warum wir Sie überhaupt eingeladen haben?«, wollte die Dame, die das Vorstellungsgespräch führte, wissen. »Ja, weil Ihnen meine Bewerbung so gut gefallen hat?«, antwortete ich ihr. Aber da lag ich wohl falsch. »Sie meinen diese Bewerbung auf Karopapier mit zwei Sätzen und dem Kaffeefleck in der Mitte? Also, wenn ich ehrlich bin, Herr Duszat: Ich war eigentlich nur neugierig, welcher Vollidiot sich hinter dieser
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