Muehsam ernaehrt sich das Eichhoernchen - Zum Glueck bin ich keins
Dickerchen sein Leben in den Straßen des Big Apple aushaucht – niedergestreckt in seiner eigenen Schweißpfütze. Ganz ehrlich, Sportwissenschaft hin oder her: Ich glaube, zu viel Wissenschaft tut auch nicht gut. Was sollte das denn jetzt? Ich lass mich doch nicht ausbremsen, wenn ich mir erst mal was vorgenommen habe. Und schließlich wollte Nike ja auch was fürs Geld sehen. Also, unterschätzen lasse ich mich nicht. Wenn ich etwas anfange, dann bringe ich es auch zu Ende. So viel war klar. Ich quälte mich also Tag für Tag mit Blasen in den Laufschuhen über die Feldwege in meiner Umgebung im Bergischen Land. So richtig Spaß habe ich daran leider nie entwickelt. Erst als ich, als erste große Herausforderung, an einem 10-Kilometer-Lauf in Otterndorf an der Nordsee teilnahm. Das ist der Heimatort meines Vaters. Da war ich schon ein bisschen stolz auf mich. Aber das war es dann auch. Stolz ja – Spaß nein. Viel mehr als diese eine Trainingseinheit gab es nicht. Die Option »Tod in der eigenen Schweißpfütze« war damit also immer noch nicht ganz aus der Welt. Aber dafür musste ich nach New York. Von Jork nach New York war mein großes Ziel. Ich war davor noch nie im Big Apple, und was kann es schon Schöneres geben, als Manhattan laufend für sich zu entdecken? Tja, vieles. Sehr vieles. Aber meine Aufgabe lautete, diese gut 42 Kilometer zu schaffen. Irgendwie …
Nun gibt es ja einiges, was man erwähnen kann, wenn man an die ersten Eindrücke einer Stadt denkt. Köln ist hässlich, und die Menschen trinken aus sehr kleinen Gläsern. Istanbul hat gar nicht so viele Kopftücher, wie man erwartet. Und Hamburg ist die schönste Stadt der Welt. Kaum in New York angekommen stelle ich erstaunt fest, dass alle, wirklich alle Menschen in Hip-Hop-Klamotten dämlich aussehen. Auch im Herkunftsland dieser Subkultur. Unfassbar, wie viele da in diesen übergroßen, albernen Klamotten die Straßen bevölkern. Da drin sieht wirklich niemand gut aus. Und ja, selbst in New York gibt es diese weißen Pickelgesichter, die wie in Deutschland durch die Gegend schlurfen, als wären sie Eminem persönlich. Unfassbar, diese Kiddies von heute. Ansonsten gibt es sehr viele Männer in Anzügen. Mit spießigen kleinen Aktenköfferchen. Verrückte Welt … Aber naja, das waren eben meine ersten Eindrücke von New York. Da war ich also nun und wurde vom Organisationskomitee des New-York-Marathons mit Latz samt Startnummern versorgt. Dort traf ich zum ersten Mal meine Konkurrenten: Familienväter, die noch mal etwas Abenteuerliches erleben wollen und sich nicht trauen fremdzugehen. Durchtrainierte Sportstreber, die sich trauen fremdzugehen und auf der Suche nach einer sportlich durchtrainierten Alten sind. Und Kenianer ohne Ende. Schon da war mir klar, dass einer von denen gewinnen wird. Es sei denn, sie würden sich unter den Latz noch überdimensional große Hip-Hop-Klamotten anziehen. Dann könnten sie vielleicht ins Stolpern geraten.
Naja, zurück zu mir. Ich hatte mir nur ein einziges Ziel für meinen ersten und wahrscheinlich auch letzten NY-Marathon gesetzt: die 42 Kilometer unter acht Stunden zu schaffen. Denn acht Stunden nach dem Start kommen schon die Rei nigungswagen, um die Strecke zu säubern. Diese Reini gungswagen spülen dann alles in die Gosse, was da auf der Strecke noch rumliegt: Pappbecher, verlorengegangene Startnummer-Lätzchen, ausgelutschte Orangen von den Streckenposten und traurig schnaufende Versager-Schlappschwänze. Ich hatte also gute Chancen, von den Reinigungswagen eingeholt zu werden. Eine schauderhafte Vorstellung. Aber es scheint so, als hätte mir die Angst Flügel verliehen. Geholfen haben mir mit Sicherheit aber auch die ganzen deutschen Au-pair-Mädchen und Austauschstudenten, die am Straßenrand standen und mich angefeuert haben. Aber das Schönste war, dass mich sogar die Amis mit meinem Namen bejubeln konnten. Denn ich war der einzige Marathon-Teilnehmer, der statt der Nummer seinen Namen auf seinem Lätzchen stehen hatte. Das hat mich echt motiviert. Ich war nicht nur eine Nummer unter vielen. Sondern der einzige mit einem Namen. Trotzdem war’s zum Kotzen.
Dieser Marathon war das Ätzendste, was ich je gemacht habe. Nicht weil ich Angst hatte, es nicht zu schaffen – ich hatte einfach keinen Bock. Man kann doch so viel Schöneres an einem Tag in New York machen. Cool war es lediglich in den Straßenzügen, die durch das von Latinos geprägte Brooklyn oder durchs schwarze Harlem gingen. Da
Weitere Kostenlose Bücher