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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Spinnen
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glaubte ich tatsächlich, von ihren Lippen einen Satz ablesen zu können. Er lautete: »Pass gut auf deine Schwester auf.« Aber das konnte ja unmöglich stimmen.
    Der Roller mit dem eingesackten Piet Montag am Lenker stand übrigens noch genau da, wo er gestanden hatte. Zu meiner Überraschung war ich ganz froh darüber.

Such das Geld!
    Z urück nach Hause nahmen meine Drillingsschwester, mein geschenkter Hund und ich wieder den Bus. Diesmal bekamen wir aber keine Belehrung über Tiertransporte zu hören, denn Paula hatte vorgeschlagen, den Hund im Kissensack zu lassen, und den schwenkte sie beim Einsteigen so lustig hin und her, dass der Busfahrer gar nicht sehen konnte, wie Piet Montag darin randalierte. Ohne weitere Probleme kamen wir zu Hause an.
    Das Haus meiner Ex-Eltern liegt hinter einem Vorgarten, der bis auf die beiden Punk- und Hippiezwerge eher unauffällig ist. Dazu hat es eine unauffällige, um nicht zu sagen: nichtssagende weiße Fassade mit ein paar ziemlich langweiligen Fenstern. Drinnen ist es hingegen eher großzügig, um nicht zu sagen: üppig. Meine Eltern nennen das Understatement.
    Paula hatte mich zwar, wie sie es formulierte, »versuchsweise observiert«, bevor sie mit mir in den Bus gestiegen war, vom Haus hatte sie aber wenig gesehen und von seinem Inneren natürlich gar nichts. Jetzt war sie erkennbar beeindruckt, versuchte es aber nicht zu zeigen. Stumm ging sie durch den Flur ins große Wohnzimmer, dort blieb sie mal hier und mal da stehen. »Na ja«, sagte sie schließlich, »Platz ist in der kleinsten Hütte. Gibt’s auch was zu essen? Ich hab nämlich Hunger.«
    Als ich ihr dann die Küche und speziell den Kühlschrank zeigte, verlor sie allerdings ihren Humor. Ich selbst fand ja, dass wir wenigstens für die nächsten zwei bis drei Tage ausreichend versorgt waren, und ich argumentierte auch etwas verwegen in diese Richtung. Doch da eröffnete mir Paula, dass ihre Lieblingsgerichte in freier Reihenfolge Jägerschnitzel, Paprikaschnitzel, Wienerschnitzel und Schnitzel Natur seien. Zu Milchreis und dergleichen Süßkram hingegen habe sie eine gestörte Beziehung. Oder, wenn ich mich an die Wahrheit halten soll: Sie zeigte mit einem spitzen Finger in den Kühlschrank und sagte: »Igitt! So was esse ich nicht.«
    Mir war klar, dass ich damit ein weiteres Problem hatte. Ich zählte kurz noch einmal alles zusammen und benutzte dabei meine Finger. Erstens: Meine Eltern hatten mich verlassen. Zweitens: Ein verhaltensgestörter Hund war mir als bester Freund ans Herz gelegt worden. Drittens: Ich besaß eine Drillingsschwester, die sich auf der Flucht vor einem indischen Bräutigam befand. Viertens: Ich war so gut wie pleite, und das Geld war gut versteckt. Und fünftens: Meine Schwester aß nur Fleisch und hatte Hunger.
    Sie deutete etwas an, was man mit Messern macht. »Wenn ich nicht gleich was zu essen kriege, betreibe ich innerfamiliären Kannibalismus!«
    Sie sah wirklich sehr hungrig aus. »Lass uns das Geld suchen«, sagte ich schnell und fing auch gleich damit an.
    Als Erstes suchte ich in der Waschmaschine. Meine Eltern schienen das vermutet zu haben, denn in der Waschmaschinentrommel klebte wieder ein gelber Zettel: Ne ne, hier ist kein Geld drin. Aber vielleicht freundest du dich bei dieser Gelegenheit ein bisschen mit diesem rätselhaften Gerät an, um das du bis jetzt einen solchen Bogen gemacht hast. Nur so viel sei gesagt: Es hat irgendwie mit deinen dreckigen Unterhosen zu tun. Die Gebrauchsanweisung liegt obendrauf, daneben die Adresse vom Waschsalon.
    Als Nächstes suchte ich hinter der Bettwäsche meiner Eltern im Schlafzimmerschrank, dann unter den Betten, dann in der Putzkammer und dann im Schuhschrank neben der Kellertreppe. Dabei wurde das Suchen allmählich beschwerlicher, weil immer da, wo ich mit der Hand hinfassen oder etwas umdrehen wollte, schon die Schnauze von Piet Montag war. Offenbar gibt es für Hunde nichts Schöneres auf der Welt, als etwas zu suchen, egal was und egal wo. Hauptsache suchen. Es kommt auch gar nicht so sehr drauf an, ob man die Sache, von der man nicht weiß, wie sie aussieht, findet oder nicht. Das Suchen dient vielmehr einem höheren Zweck, ist also eine Art Hundereligion.
    Piet Montag war von Geburt an offenbar tiefreligiös und außerdem ein Freund der Regel, dass man alles, was man macht, auch schön gründlich machen soll. Ich wollte im Schuhschrank nur nachsehen, ob das Geld da versteckt war. Er hingegen wollte alle Schuhe

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