Mueller hoch Drei
grub sich eins, vermutlich weil das so gut zu seinem Namen passte.
Jetzt aber kam das Glossbach’sche Geschrei eindeutig aus dem vorderen Teil des Gartens, in dem allerlei ganz besondere Rosen wuchsen, übrigens die einzigen Lebewesen, die einigermaßen sicher davor waren, von Frau Glossbach angeschrien zu werden, vorausgesetzt sie gaben sich mit dem Wachsen und Blühen recht viel Mühe.
Ich stürmte, wie man so sagt, an den Gartenzaun. Und sah die Bescherung. Piet Montag hatte vom Suchen einfach nicht lassen können und sich einen Weg in den Nachbargarten gebuddelt. Dort suchte er jetzt unser Geld unter den Glossbach’schen Rosen, fand es aber leider nicht. Dafür konnten sich die Rosen erstmals ihre Wurzeln begucken; es war allerdings zu befürchten, dass es das Letzte war, was sie in ihrem Pflanzenleben sahen.
Das Letzte, was sie hörten, war jedenfalls Frau Glossbach. Ich verstand nicht alles von ihrem Geschrei, aber es war darin auch von mir die Rede. Ich erkannte nämlich die Adjektive »verzogen«, »eingebildet«, »nichtsnutzig« und »faul«. Außerdem die Nomina »Stubenhocker« und »Trampel«.
Ich musste das aber vorerst auf sich beruhen lassen. Denn jetzt galt es, Piet Montag aus dem nachbarlichen Garten zu holen. »Komm, Hundilein!«, rief ich daher über den Gartenzaun. »Komm her, du süßes Knäuel. Sonst haut dich die nette Nachbarin zu Brei.«
Fraglich war allerdings, ob Piet Montag mich hören konnte, denn Frau Glossbach schrie lauter als ich. Sie war mittlerweile beim Zustand der Menschheit angekommen, unter besonderer Berücksichtigung der Benachteiligungen, denen Frauen mit Siamkatern ausgesetzt sind, wenn sie Vollidioten zu Nachbarn haben. Mir blieb also nichts anderes übrig, als über den Zaun zu klettern und Piet Montag eigenhändig zu fangen.
Dabei durfte ich dann feststellen, dass nach dem Suchen seine Zweitlieblingsbeschäftigung das Weglaufen-wenn-man-ihn-kriegen-will war. Wir lieferten uns ein interessantes Rennen, wobei der von Zierblumen eingerahmte Zierbrunnen im mittleren Teil des Glossbach’schen Gartens als eine Art Wendemarke diente. Nach sieben Runden hatte ich Piet Montag eingeholt, und der Zierbrunnen war zierblumenfrei. Ich bugsierte das unnütze Tier über den Zaun und sprang hinterher.
»Ach, guck mal da!«, sagte, als ich auf dem Hintern landete, eine im Gegensatz zu mir blitzsaubere Paula. Zu meiner Verwunderung konnte ich verstehen, was sie sagte, denn unsere Nachbarin war verstummt. Entweder hatte sie der Schlag getroffen, oder sie war ebenso wie Toni der Sohni ausgewandert. Egal, ich guckte in die Richtung, in die Paula zeigte.
Und da war ein Loch im Rasen. Piet Montag hatte wohl in unserem Garten noch eine Probegrabung unternommen, bevor er ausgebüxt war. Und was hatte er zutage gefördert? Eine Kassette.
Mit spitzen Fingern zog Paula sie aus der Erde. »Wir sind reich«, sagte sie. Dann sagte sie etwas wie »knorke« und küsste mich von links auf die Nase, derweil zerrte der Hund an meiner Hose, vielleicht aus Freude über den Fund. Ich schüttelte ihn ab und sagte: »Ich muss euch jetzt wahrscheinlich enttäuschen.«
Paula runzelte die Stirn.
»Bitte nicht schimpfen!« Und dann begann ich die anstehende Beichte. Diese Kassette hatte ich nämlich selbst vergraben, als vor ein paar Jahren die D-Mark abgeschafft worden war. Klein und unverständig, wie ich war, hatte ich alle meine Sparbüchsen geplündert und das Geld in Sicherheit gebracht, um es vor der Abschaffung zu retten. Später, als ich begriff, was für ein Unfug das gewesen war, wollte ich es in Euro umtauschen. Doch da konnte ich mich leider nicht mehr daran erinnern, wo ich es vergraben hatte.
Paula sagte ein Wort, das ich nicht wiederholen kann, das aber unsere Lage treffend beschrieb. Dann öffnete sie die Kassette und zählte die lappigen Fünfer, Zehner und Zwanziger. »Fünfundneunzig.« Sie warf die Scheine wieder zurück. Einer fiel daneben und Piet Montag vor die Füße. Es war ein Zehner.
»Fünfundachtzig.« Ich schloss den Deckel der Kassette. »Immerhin mehr als nichts.«
Wir essen was
D en Rest dieses denkwürdigen Tages, des zweiten meiner von den Eltern verlassenen Existenz, verbrachten wir damit, es uns nach Möglichkeit gut gehen zu lassen. Ich hatte zwar noch einmal zaghaft vorgeschlagen, aus Sparsamkeitsgründen weiter den Kühlschrank zu plündern, aber damit kam ich bei Paula schlecht an. Ich schnappte mir daher das Telefonbuch und suchte ein Restaurant, wo man
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