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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Spinnen
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den Garten, wo ich in frischer Luft das Atmen nachholte. Ich blieb dann noch ein wenig draußen. Ins Grüne zu sehen soll ja angeblich beruhigen.
    Schließlich wollte ich Piet Montag aus seinem Gefängnis holen. Ich hatte mir vorgenommen, ihm dabei einen längeren Vortrag über häusliche Reinlichkeit zu halten. Doch als ich sah, wie er mit jämmerlich abgespreizten Beinen in der Wanne saß, verzichtete ich darauf. Wahrscheinlich fühlte er sich schrecklich, eingesperrt in einem glatten, weißen Nichts.
    Allerdings zeigte er sich keineswegs dankbar, als ich ihn packen und heraushieven wollte. Schlitternd versuchte er zu fliehen, seine Krallen kratzten kreischend übers Email der Wanne. Ich griff nach ihm, und so kam es zu einem Hand- beziehungsweise Pfotengemenge, in dessen Verlauf ich versehentlich das Wasser anstellte und Piet Montag dummerweise den Duschkopf herunterriss, worauf dieser eine kräftige und sehr bewegliche Fontäne durchs Badezimmer schoss. Bevor ich das Ding unter Kontrolle bekam, war ich klatschnass. Und Piet Montag war verschwunden.
    Ich zog mein durchnässtes Lieblingssweatshirt aus und setzte mich ins Wohnzimmer, den Rücken zum Fernseher. Es war sehr still im Haus, und ich war wieder kurz davor zu heulen. Ich war verlassen worden, und was immer ich anfasste, es ging schief. Ich hatte schon dieses sehr spezielle Gefühl im Mund und in den Augen, da sprang mir ein schwarzer Hund auf den Schoß und begann, sich selbst mit seiner Zunge trocken und mich mit seinem Fell noch etwas nasser zu machen. Darüber musste ich lachen, und das Heulen machte sich davon.
    Stattdessen grübelte ich. Vielleicht hatten meine Eltern ja das Richtige getan, als sie mich verließen. Vielleicht war das ja die einzige Möglichkeit, aus einem naiven und weltfremden Kind wie mir einen einigermaßen selbstständigen Vierzehnjährigen zu machen. Eine Radikalmaßnahme, mag sein. Und nicht gerade leicht zu ertragen! Aber womöglich hatten meine Eltern es ja aus Liebe getan. Ein solcher Traumtänzer wie ich würde in der großen weiten Welt bloß auf die Nase fallen, und deshalb gaben sie mir die einmalige Chance, im Schnellverfahren erwachsen zu werden.
    War es wirklich so? In einem Anfall von Albernheit fragte ich das den Hund, der sich auf meinem Schoß zusammengerollt hatte. »Na, was meinst du? Bin ich so eine Dumpfbacke, die man zu ihrem Besten zwingen muss?«
    Der Hund rappelte sich hoch. Schließlich stand er mit den Hinterpfoten auf meinen Oberschenkeln und mit den Vorderpfoten auf meinem Bauch. Kurz sah er mich aufmerksam von oben herab an, dann schüttelte er zuerst den Kopf und dann seinen ganzen Körper. Erstaunlich, wie viel Wasser noch in seinem Fell saß. Ebenfalls erstaunlich, dass ich wieder laut lachen musste. Und ein bisschen sah es so aus, als lachte Piet Montag auch.

Paula Rosa
    I ch ging hinaus in den Garten, setzte mich auf unsere Hollywoodschaukel und ließ mich von der Sonne trocknen. Derweil überlegte ich meinen nächsten Schritt. Mir war jetzt klar, es würde kein besonders mutiger, kein besonders großartiger oder selbstständiger Schritt sein, dafür war ich einfach nicht gebaut. Doch es würde immerhin ein ehrlicher Schritt sein. Ich würde nämlich eingestehen, dass ich Hilfe brauchte. Jede erdenkliche Hilfe. Und für diese Hilfe kannte ich momentan nur einen Namen: Tante Elke.
    Tante Elke war eigentlich keine richtige Tante, sondern eine Cousine meiner Mutter. Als Kinder sollen die beiden ein Herz und eine Seele gewesen sein. Doch in den letzten Jahren hatten meine Eltern, vorsichtig ausgedrückt, kaum noch Kontakt zu ihr gepflegt. Seit ihrem letzten Umzug hatten wir sie gar nicht mehr besucht, und als sie zuletzt bei uns gewesen war, hatten die drei zusammen so viel Schweigen angehäuft, dass es mir noch Tage später die Stimme verschlug, wenn ich das Wohnzimmer betrat.
    Der Grund für unsere schlechten Beziehungen zu Tante Elke war die rätselhafte Krankheit, an der sie litt, seitdem ich sie kannte. Sommers wie winters hatte sie eine gefährlich gerötete Nase, dauernd tränten ihre Augen, und ihre Stimme war ein weinerliches Dauerschniefen. Ihre ständigen Begleiter waren in Kräutertee gewaschene Taschentücher, und beim Essen lagen immer Dutzende von Pillen neben ihrem Teller. Selbst wenn sie ansonsten der beste Mensch der Welt wäre, sagte mein Vater, reiche dieser Dauerschnupps, ihre Nähe zu meiden. Worauf er etwas rezitierte, in dem sich »Elke« auf »welke« reimte und worüber

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