Mueller hoch Drei
regelrecht leuchten. So ist er, mein Vater. Beziehungsweise, so war er.
Ich nickte. »Okay. Ich bin Paul Müller, und ich gebe alles zu.«
»Gut. Dann bestell den Idioten, die dieses Monster hier aufgegeben haben, dass auch unser Spezialversand nur Kisten befördert, die grundsätzlich stillhalten. Möchtegern-Selbstläufer transportieren wir nicht.«
Deshalb also der Fuß auf der Kiste! Tatsächlich schien sie trotz dieser Kontrolle irgendwie in Bewegung zu sein.
»Was ist denn dadrin?«
»Interessiert mich nicht«, sagte der Postmensch. »Aber als ich es zur Ordnung gerufen habe, wollte es mich beißen. Die Rechnung folgt.« Er zeigte mir seine rechte Hand, auf der sich ein harmloser Kratzer befand. Und dann ging er. Ich schaute ihm hinterher; auch von hinten sah er aus wie einer, der gleich zum Rechtsanwalt will und sich jetzt schon auf sein Schmerzensgeld freut. Hatte ich also noch ein Problem mehr.
Doch zuerst musste ich diese schräge Kiste ins Haus bekommen. Ich zog und zerrte, tatsächlich kriegte ich sie auch in den Flur, doch mein Gezerre gab ihr den Rest, sie klappte auseinander, und vor mir stand: ein großer schwarzer Hund. Das heißt, ein junger schwarzer Hund – aber einer, dem jeder und also auch ein Nichthundefachmann wie ich ansehen konnte, dass er einmal groß werden würde. Sehr groß sogar!
An einer Schnur um den Hals trug der Hund einen gelben Zettel. So etwas hatte ich geahnt. Die Schrift auf dem Zettel war ziemlich verschwommen, doch der Anfang ließ sich entziffern. Da stand: Hallo Paul. Wenn du das liest, sitzen wir schon am Strand. Winke winke! Das hier ist Piet. Er ist ab sofort dein Freund. Das heißt, du übernimmst für ihn die Verantwortung. Das wird dir helfen, schneller erwachsen zu werden. Im Gegenzug wird er dir beim Alleinsein helfen. Hunde können das gut. Man sieht sie nur an und fühlt sich gleich viel besser. Im Gegensatz zu… Es hatte wohl noch mehr da gestanden, aber der restliche Text war fast verschwunden, so als hätte jemand ihn weggeleckt.
Ich setzte mich in sicherer Entfernung vor dem Hund auf die Erde, und wir schauten einander an. Er schaute interessiert, ich wahrscheinlich eher skeptisch. Mein Verhältnis zu Hunden war bislang gut ausbalanciert. Ich fand, dass Hunde schlecht rochen, und fürchtete mich davor, gebissen zu werden, während die Hunde vermutlich fanden, dass es immer noch aufregender war, mit einer alten Plastiktüte zu spielen als mit mir. Folglich gingen wir einander aus dem Weg.
Jetzt sah die Sache allerdings anders aus. Ich saß so einsam in unserem Haus wie Robinson Crusoe auf seiner Insel, und meine Eltern hatten mir per Spezialpost einen lieben Leidensgenossen geschickt. Wahrscheinlich mit dem Hintergedanken, ich könnte im Handumdrehen zum fanatischen Hundefreund werden. Reizende Idee!
Ein gewisses Etwas in mir schlug vor, den Hund einfach zur Tür hinauszujagen. Annahme verweigert. Es gehört schließlich zu den Menschenrechten, Hunde eklig und gefährlich zu finden und ohne sie leben zu wollen. Dieses gewisse Etwas in mir setzte sich dann auch durch. Schon war ich aufgestanden und hatte die Klinke der Haustür in der Hand. »Komm, Hundilein«, sagte ich, »wir gehen Gassi.« Wobei das »wir« natürlich gelogen war.
Doch da setzte sich der Hund und sah zu mir herauf. Er tat es mit zwei sehr braunen Augen, die im Fell seines Kopfes lagen wie Mamas Bernsteinohrringe in ihrer schwarzen Schmuckschatulle. Und da wurde mir klar, dass ich gerade mit ihm tun wollte, was meine Eltern gestern mit mir getan hatten. »Tut mir leid«, sagte ich, worauf der Hund sich mit der Zunge über die Nase leckte. Es sah aus, als wollte er sagen: »Ist schon okay.«
Ich setzte mich wieder vor ihn auf den Boden und redete ihn an, als könnte er mich verstehen. »Weißt du, was? Du bist an einem Montag gekommen, deshalb taufe ich dich Piet Montag. Außerdem passt das gut zu Paul Müller.« Ich sah ihm tief in die Augen und bemühte mich, meiner Stimme einen beschwörenden Unterton zu geben. »Und du weißt es vielleicht noch nicht, aber bist ein sehr sehr liebenswürdiger, pflegeleichter und gehorsamer Hund.«
Piet Montag hielt meinem Blick stand. Er klappte die Ohren nach vorne und neigte den Kopf zur Seite.
Ich überwand mich und rückte noch etwas näher an ihn heran. »Du tust«, raunte ich so dunkel ich konnte, »ab jetzt alles, was ich sage. Du gehorchst aufs Wort und stellst keinerlei Unfug an. Und du interessierst dich kein bisschen für meine
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