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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Spinnen
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wartete niemand auf den Bus. Später erschien ein Mädchen, ungefähr in meinem Alter.
    Da vor ein paar Tagen die großen Schulferien begonnen hatten, waren die meisten Leute raus aus Neustadt und Richtung Urlaub gefahren. Vermutlich mit ihren Kindern, wenn ich mir diesen harmlosen Scherz auf meine Kosten erlauben darf. Jedenfalls war der Bus ziemlich leer. Und da ich gerade beim Scherzen bin: Wäre auch der Busfahrer in Urlaub gewesen, hätte es eine ganz angenehme Fahrt werden können. So aber musste ich mit dem Mann ein längeres Gespräch darüber führen, welch strenge Auflagen man erfüllen muss, wenn man mit einem Hund im Linienbus fahren will. Das Gespräch endete damit, dass ich fast alles von meinen zehn Euro abgeben und außerdem schwören musste, den Hund fest auf dem Schoß zu halten. Sollten sich andere Fahrgäste beschweren, müsste ich sofort den Bus verlassen und bekäme mein Geld nicht zurück.
    Zitternd setzte ich mich auf eine Zweierbank. Nach drei Haltestellen war der Bus fast vollkommen leer. Ich versuchte, das nicht auf mich zu beziehen. Allerdings kam von den hinteren Sitzreihen das Mädchen nach vorn, das zusammen mit mir eingestiegen war. Sie trug, wie ich jetzt bemerkte, lauter Sachen, die das Spektrum sämtlicher möglicher Varianten der Farbe Rosa vollständig abdeckten. Rosa Jeans, rosa T-Shirt, rosa Sweatshirt, rosa Kettchen, rosa Spängchen und immer so weiter. Sie anschauen und den Geschmack von einem ganz bestimmten rosafarbenen Kaugummi im Mund haben, das war praktisch eins.
    Das Mädchen blieb eine Zeit lang vorne beim Busfahrer stehen, dann kam es zielstrebig auf mich zu und setzte sich neben mich. Das musste ich nun allerdings auf mich beziehen, denn fast alle anderen Plätze waren ja frei. Sicherheitshalber packte ich den Hund noch fester und guckte wie blöd aus dem Fenster. In der Spiegelung der Scheibe konnte ich sehen, dass das Mädchen ebenso blöd geradeaus guckte. Es passierte fürs Erste nichts, und ich war heilfroh. Doch nach zwei weiteren Bushaltestellen kniff mich Piet Montag in die Hand und sprang dem Mädchen auf den Schoß. Toll, dachte ich, gehen wir also zu Fuß!
    Aber weit gefehlt. Das Mädchen beschwerte sich nicht. Sie kraulte den Hund vielmehr ziemlich fachmännisch hinterm Ohr und drehte langsam ihren Kopf zu mir. Dabei lächelte sie mich an. »Hallo«, sagte sie mit einer Stimme, die ebenfalls vollkommen rosafarben war.
    Ich antwortete etwas, das klang, als würde man eine rostige Tür schließen.
    »Ich bin die Paula«, sagte das Mädchen.
    Dazu hätte ich jetzt einen superlustigen Satz sagen können, so in der Art wie: Da treffen sich ja die Richtigen. Ich sagte aber nur: »Paul.« Das heißt, ich brummte oder knirschte oder knarrte es.
    »Ich weiß«, hauchte das Mädchen auf Rosa. »Paul Müller. Mein Paul Müller.«
    Mir wurde schummrig zumute. Mein Bedarf an Überraschungen jedweder Art war seit gestern Morgen für die nächsten zwanzig bis dreißig Jahre gedeckt. Aber was jetzt passierte, sollte den Auszug meiner Eltern zur Lappalie machen.
    »Ich bin nämlich«, flötete das Mädchen weiter, »deine verlorene siamesische Zwillingsschwester.«
    Ich sagte: »Aha?« Mehr nicht.
    Alles klar! Zwillingsschwester. Verloren natürlich. Und außerdem siamesisch. Drunter tat es diese rosa Halluzination wohl nicht? Ich beschloss, mich an die Regel zu halten, wonach man mit Verrückten nicht argumentieren darf, und schaute weiter geradeaus. So sah ich auch nur aus den Augenwinkeln, dass Fräulein Rosa Piet Montag noch immer hinter den Ohren kraulte, was dem untreuen Tier nicht schlecht zu gefallen schien. Unwillkürlich machte ich wohl ein verkniffenes Gesicht.
    Sie bemerkte es sofort. »Ich weiß, das muss jetzt ein ziemlicher Schock für dich sein. War’s für mich auch.« Sie beugte sich ein wenig vor und sah mir kritisch ins Gesicht. »Ich hätte nämlich lieber einen Bruder, der nicht an vorzeitiger Gesichtsverknitterung leidet.« Sie streckte mir kurz die Zunge heraus. »Aber vergessen wir das jetzt, und freuen wir uns einfach darüber, dass wir uns endlich gefunden haben.«
    Ohne jede Ankündigung umarmte sie mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Wäre Piet Montag nicht zwischen uns gewesen, wir wären uns verdammt nahe gekommen, jedenfalls näher, als ich bislang irgendeinem Mädchen gekommen war. Allerdings wusste ich nicht, wie ich diese Paula zurück auf ihren Sitz und in ihre rosa Welt schieben sollte. Dabei nahm der Kuss kein Ende. Es

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