Mueller und die Schweinerei
oder künstlerisch oder an Handarbeiten oder am Wandern. Bei Kathrin ist es vor allem die Philosophie und – vielleicht ein lustiger Gegensatz, aber ergänzt sich – auch der Ballsport. Das ist nicht bei allen kurzhaarigen Brünetten mit einer guten Figur und Haut so. Also ist es schon eher das Individuelle, das für den Müller zählt. Und die Chemie des Moments. Weil, hätte der Müller durchgeschlafen, aufgrund seiner Müdigkeit wäre das plausibel gewesen, und dann wären sie nicht ins Gespräch gelangt. Oder – man weiss es nie – der gut gebaute Tontechniker Mario, der auf der anderen Seite von Kathrin liegt und dem sie jetzt ihren Rücken zeigt, hätte das Rennen gemacht. Aber es ist eine Fügung des Schicksals, dass Kathrin sich genau auf die Liege neben den Müller gelegt hat, sie neben ihm in ihrem Robert Spaemann blätterte, um zur Auffrischung eine bestimmte Stelle zu suchen. Moralische Grundbegriffe. Die Definitionen müssen einfach auf Knopfdruck abrufbar sein. Und genau durch dieses Blättern-im-Robert-Spaemann war nämlich der Müller Benedikt aufgewacht. So kann Philosophie Menschen vereinigen.
Und Müller erzählt auf entsprechende Frage, dass er – was ja nicht ganz falsch ist – Mitarbeiter in »Internationaler Clearingzentrale« ist. Er erzählt von Zahlenkolonnen und Plausibilitätskontrolle, von heiklen Fällen, schwierigen Problemstellungen und insbesondere vom Kontrollfeld » KF «. Vor allem aber, dass ihm der meditative Charakter der Algorithmen und Numerologie gefällt, weil das entspricht ihm schon, und weiss, dass Frauen dafür empfänglicher sind, als wenn ausschliesslich von Zahlen und Materiellem die Rede ist. Gute Frauen wollen sensible Geister. Und Kathrin erzählt, dass Philosophie ihr Beruf ist. Aber dass sie an der Universität und Professorin ist, findet der Müller erst zufällig heraus, als sie am selben Abend beim Abendessen in der »Kronenhalle« sitzen. Als ein Lustgreis in dezent senfgrün-grau kariertem Anzug mit orange gepunkteter blauer Krawatte mit Krönchen drauf an den Tisch tritt und mit einem halben Bückling sagt »Küss die Hand« und »Frau Professor«. Aber das gehört nicht mehr hierher, ist Ausblick in die nächste Zukunft in wenigen Stunden, damit du weisst, liebe Leserin, lieber Leser, dass der Müller auch nach dieser Szene im Oberen Letten noch ein Leben haben wird. Ob aber in zwanzig Jahren Kathrin und der Müller zusammen im selben Pool baden werden, das wagen wir nicht vorauszuprognostizieren. Müsste ein Medium tun. Aber, das wissen wir, denen traut der Müller nicht unbedingt.
Genug geplaudert. Zurück in die aktuelle Gegenwart: Hier ist es ein schon leicht fortgeschrittener Sommernachmittag, ungefähr circa siebzehn Uhr, dem Stand der Sonne nach zu schliessen. Sie gehen erst einmal gemeinsam an der Theke ein Eis holen.
* * *
Während der Müller sich noch im Flussbad Oberer Letten tummelt, wo er vor wenigen Wochen und im ersten Müllerroman die angeschwemmte Leiche von Sängerin Sandra Molinari fand und wo er nun die chemische Reaktion mit der Philosophieprofessorin auskostet, findet im Polizeizimmer 419 das erste Verhör von Wirt Paul Meierhans statt. Es ist zielführend, eine klare Win-Situation für die Polizei und auch hinsichtlich Arbeitsstunden ökonomisch. Bucher Manfred und Rocco Catanzaro halten es kurz.
Hier das Protokoll:
»Ich, Paul Meierhans, gestehe, dass ich mich am 3. August um einundzwanzig Uhr dreissig in die Küche des biologischen Restaurants Sumatra an der Josefstrasse geschlichen habe. Unter dem Jackett, das ich mir speziell dafür beschafft hatte, trug ich eine Ampulle . * Ich schüttete sie in die erstbeste Pfanne, die ich auf dem Herd stehen sah. Es handelte sich um einen rotbraunen Bohneneintopf. Ich beging die Tat aus folgendem Motiv: Der Besitzer des Sumatra will seit längerer Zeit mein Lokal übernehmen, dessen Pachtvertrag auf Ende September ausläuft. Ich hoffte, ihm mit dem vergifteten Bohneneintopf zu schaden. Wären Gäste wegen seiner Speisen zu Schaden gekommen, hätte ihm das öffentliche Aufsehen finanziell geschadet, sodass er auf die Übernahme meines Pachtvertrages hätte verzichten müssen. Mehrmals suchte ich das Gespräch mit ihm. Er hat mich immer abblitzen lassen. Dass Menschen hätten sterben können, war mir im Moment des Handelns nicht bewusst. Zum Glück ist es anders gekommen.
8. August, unterschrieben, Paul
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