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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Dreitagebart, harter Hund aus der Grünau, verheiratet, zwei Kinder, Interessen sonst: Champions-League-Fussball, Strandferien, TV -Serien, zuverlässiger Kamerad. Damit das Bild von der Polizei auch ein bisschen persönlich ist.
    Wieder Verhörraum 419. Unzerbrechlicher Tisch, festgeschraubte Stühle, beigegrauer Linoleumboden, Raufaserwände, seit den sechziger Jahren nicht aufgefrischt. Das heisst: alles ziemlich abgeschabt, fleckig und schäbig.
    Paul Meierhans setzt sich. Das Hawaiihemd zerknittert wie er. Riecht ein bisschen, weil ihm noch niemand Kleidernachschub geliefert. Hat ihm niemand gebracht, weil Junggeselle, was auch Nachteile hat.
    Anwesend ebenfalls: der Müller, Bucher Manfred, Chef Peter Wunderli, Rocco, Weiermann mit den Hautirritationen, Atemproblemen und triefenden roten Augen. Auch da: RA Dr.   Burkhalter, diensthabender Pflichtverteidiger.
    Riechen Sie die Ambiance? Kaffee-, Zigaretten- und Reinigungsmittelgeruch in der Luft, stickig, weil nur ein Oberlicht da. Das ist geschlossen, weil draussen brütet’s. Es zu öffnen wäre aber eh hochgefährlich: Aerodynamik und Statik des Grossen Polizeihauses würden die Heissluft ins gekippte Oberlicht hineinsaugen. Also besser, dass verschlossen. Der Sauerstoffmangel macht selbst der Polizei zu schaffen.
    Kernfrage: Meierhans und Gift, warum mischte er es ins Sumatra-Essen?
    »Zehn Uhr fünf«, teilt der Müller dem Mikrofon mit, zählt die Anwesenden auf und sagt: »Datum, Befragung Paul Meierhans, Wirt der Bar XY , ****strasse, Zürich.«
    Und dann beginnt er. Fragt und fragt und fragt und fragt. Paul Meierhans sagt nichts und sagt nichts und sagt nichts. Und der Müller fragt, und Bucher Manfred fragt auch, und Gustav Weiermann mit seinen Schweissausdünstungen und seinem Horn auf der Stirn geht seitwärts wie eine Krabbe knapp vor Paul Meierhans vorbei und eine Weile später knapp hinter ihm, und Hauptmann Peter Wunderli, Chef Abteilung Gewaltverbrechen, schaut bedrohlich, und Rocco Catanzaro starrt die Wand an, einen Zentimeter über Paul Meierhans’ linkem Ohr. Das ganze Brimborium von Schräg-Tun bis Auffällig-sich-Verhalten mit dem Hintergedanken: Angst einflössen, die Polizei ist psychologisch schon hochraffiniert. Aber selbst einem Thermometer gibt dieses Raumklima umgehend den Gong. Da eierst du rum und schwitzt und versuchst dich zu erinnern, was sie dir in der Polizeischule und in all den Weiterbildungskursen beigebracht haben. Aber es kommt dir nicht in den Sinn, weil das Wasser aus dem Körper verdunstet ist und du nur hoffst, dass alles bald vorbei ist, weil die Gehirnströme komplett entwässert sind. Und der zu Vernehmende merkt das tief in seinem U-Bewussten, dass auch die Polizei am Rand ist.
    Müller bietet lauwarmes Mineralwasser an, dem die Bläschen schon vor Tagen entwichen sind, nichts anderes mehr da, und Paul Meierhans nimmt einen Schluck. Ist vom Aufenthalt in der warmen Zelle etwas aufgerieben. Lippen gesprungen, Haut fahl, Hose mit Kaffeeflecken, reibt sich wiederholt das Kreuz. Haare zerzaust. Nächste Frage  wieder nichts. Nächste Frage  wieder nichts Brauchbares. Meierhans erzählt viel nutzloses Zeug, brabbelt unverständlich in seinen Bart. Jetzt null Ähnlichkeit mit Dylan. Seufzt viel. Noch mehr Stille.
    Doch plötzlich hört der Müller von Meierhans verständlich ein Satzende: »… dafür 50’000   Franken bekommen.«
    Den ersten Teil des Satzes hat er verpasst. Auch Bucher Manfred, Wunderli, Catanzaro und RA Burkhalter sind geistig schlagartig präsent. Gustav Weiermann dreht noch immer seine seitlichen Krebsrunden. Hat nicht zugehört. Muss er jetzt nicht, hat andere Aufgabe. Spielt das Infektionsrisiko.
    »50’000   Franken. Von wem?«, sagt der Müller.
    Und das Schweigetheater, die Banalitätenschau, die Allerweltssätze von Meierhans drehen ein paar Extrarunden. Will nichts sagen. Sagt nichts. Erzählt nichts von Belang. Hat aber schon zu viel gesagt. Hat jetzt Angst davor, dass er überhaupt etwas gesagt hat. Weiterbohren.
    Müller fragt wieder und weiter und bietet einen Kaffee an und hustet und kratzt sich hinter dem Ohr und fragt und will wissen und erkundigt sich und pickelt und meisselt und schleift am U-Bewussten des Wirtes herum. Da hört er plötzlich:
    »Ich brauche Geld.«
    »Und wie sind die 50’000   Franken in Ihre Hände gelangt?«
    Meierhans, er beschreibt jetzt die Übergabe des Geldes. Da könnte man denken und denkt es wirklich, man sei im Schmierentheater: nachts,

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