Mueller und die Schweinerei
Rücken neigt sich zurück gegen die Lehne des festgeschraubten Stuhls. Und du sprichst.
Das heisst: Meierhans spricht: »Ich brauche das Geld, um mich zu vergrössern. Meine Kundschaft stirbt mir langsam, aber sicher weg … der Alkohol, Motorradunfälle … Das hat keine Zukunft. Ich will ein richtiges Restaurant, mit Küche und Speisekarte und gestylter Kundschaft, die zahlen kann.«
»Und wie wollen Sie da hinkommen?«
»Man hat mir versprochen, dass ich Scharpfs Lokal übernehmen kann.«
»Man? Wer?«
»Die Männer.«
»Ich will Namen hören«, sagt da der Müller energetisch und behandelt den angeschraubten Resopaltisch ausgesprochen schlecht. »Namen. Kein schwachköpfiges Gelaber.«
Und haut sogar nochmals mit der Faust auf den Tisch mit der abgenutzten Oberfläche. Aber verallgemeinern Sie aus zweimal nicht: Dieser Umgang mit Inventar, das der Steuerzahler gekauft hat, ist bei der Polizei nicht die Regel. Ist nur jetzt gerade ein hochemotionaler Moment. Weil der Durchbruch steht kurz bevor. Nehmen wir an.
»Die ›International Gastro Finance SA ‹«, sagt da Meierhans. Der Müller und die Polizei erinnern sich: Sitz auf Blue Rock Island, britisches Karibiksteuerparadies, Mehrheitsanteilseignerin bei Joachim Scharpfs Biogastro Sumatra AG .
»Was ist mit der ›International Gastro Finance SA ‹?«
»Sie überträgt mir die Geschäftsführung im Sumatra. Und noch einiges mehr.«
»Warum Ihnen?«
Da weiss Paul Meierhans keine Antwort. Sagt nichts Rechtes auf Nachfrage. Müllers Nachfrage bleibt ohne Ergebnis. Meierhans hat doch die Aussage unterschrieben, dass Scharpf sein Lokal übernehmen wollte. Davon spricht er jetzt nicht. Sonst nicht nur ein Motiv für Giftattentat (Geld), sondern zwei (nämlich Racheretourkutsche). Weiss der Müller, weiss die Polizei.
Das wird heute nichts mehr, das spürt der erfahrene Ermittler. Also sagt der Müller ins Mikrofon: »Fünfzehn Uhr fünfunddreissig. Ende der Vernehmung von Paul Meierhans.«
Für den ist das Tagewerk getan. Er darf wieder in die Zelle zurück. Im Raum 419 geht es für den Müller und Bucher Manfred und die anderen weiter. Nämlich mit Scharpf. Ist ja auch in Polizeigewahrsam seit gestern und war auch noch nicht gesprächig. Reklamierte nur und brauchte Wörter wie »Nachspiel« und »Beschwerde« und »Folgen«.
Während Gustav Weiermann und Rocco Catanzaro den Untersuchungshäftling Meierhans wegbringen und Scharpf holen, nehmen der Müller und Bucher Manfred aus dem Geheimvorrat für besondere Gelegenheiten eine kühle Wasserflasche und die Treppe, gehen in den sechsten Stock, auf die Dachterrasse. Lassen den Blick schweifen über die Dächer der schönen Stadt Zürich, wo sich der Sommer austobt. Wortlos stehen sie da, schauen das Flimmern der Hitze, hören das Ächzen der Statik des Gebäudes, die Ausdehnung der Polizeihausmauern, das Leiden der Kastanienbäume gegenüber auf der ehemaligen Exerzierwiese, das Knistern des sich krümmenden, vorzeitig gelb werdenden Laubs, das Sirren von Fahrrädern, die tief unten vorbeifahren, getreten von Menschen mit langen, nackten Beinen in Flip-Flops und Sandalen. Sie sehen drei Enten von der nahen Sihl aufsteigen, sich in die dicke Luft hineinbohren und in Richtung See verschwinden. Wortlos stehen sie da, denn sie brauchen nicht zu sprechen, um sich zu verstehen, der Müller und Bucher Manfred. Kollegen. Freunde. Da stehen sie einige Minuten, um die Gedanken und Kräfte für den nächsten Kandidaten zu sammeln.
Hinunter. Hinein. Joachim Scharpf sitzt schon im Verhörzimmer 419, als sie kommen. Auf dem festgeschraubten Stuhl, am abgenutzten Tisch, im verschwitzten Hemd, vor ihm ein Becher mit lauwarmem Mineralwasser.
Bucher sofort: »Wir wollen über Ihr Verhältnis zur ›International Gastro Finance SA ‹ sprechen.«
Und der Müller wieder ins Mikrofon: »Fünfzehn Uhr fünfzig. Vernehmung Joachim Scharpf, Wirt Restaurant Sumatra, Josefstrasse, Zürich.«
Und Bucher: »Erzählen Sie uns von der ›International Gastro Finance SA ‹.«
Und der Müller: »Wie hängen Sie mit denen zusammen?«
Einstieg gleich mit Sandwichtechnik: Bucher Manfred und der Müller sind die Brötchenhälften oben und unten, Scharpf ist die Gurke und das Roastbeef. Vielleicht quetschen Sie jetzt noch Remouladensauce oder solche Sachen hinein.
Joachim Scharpf schaut zuerst einmal seinen Anwalt an. Es ist Dr. Schärer. Der sagt nichts. Alles korrekt bisher.
Scharpf sagt noch immer nichts.
Bei der Hitze
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