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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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könnte man meinen, die Uhr fängt gleich an, sich zu verflüssigen, so wie dieser spanische Maler es gerne gemalt hat. Aber wir sind nicht in einer Kunstausstellung. Anders gesagt: An den Wänden des Verhörraums 419 läuft die Zeit herunter und sammelt sich auf dem Linoleumfussboden als vor sich hin faulender Tümpel. Dort bleibt sie liegen.
    Manfred und der Müller wiederholen, was sie eben gefragt haben. Sie haben Zeit bis zur Pensionierung.
    Und das sagt der Müller auch gleich: »Wir haben Zeit bis zur Pensionierung.«
    Und Manfred nickt. Scharpf schweigt weiter.
    So geht das eine ziemlich lange Weile. Die Sekunden summieren sich und meisseln grausam am Zifferblatt des Lebens herum. Für einen Polizeimann bedeutet so ein Verhör einfach »0800 Normalarbeitszeit«. Daraus folgt ein Lohn-, Ferien- und ein Pensionsanspruch und die sonstigen Sozialleistungen, die das Parlament noch nicht abgeschafft hat. Für den Mutmasslichen im Schraubstock, gerade wenn er ein Geschäft betreibt wie Scharpf, ist ein langwieriges Verhör fatal: Zeitverlust, Zeitverschwendung, Nervenstress und finanzieller Verlust. Die Frischprodukte im Kühlraum bleiben nicht ewig frisch. Es ist die Vorhölle zu Pöschwies Regensdorf.
    Und endlich gibt er sich einen Ruck: »Die ›International Gastro Finance SA ‹ ist Mehrheitseignerin der ›Sumatra Biogastro AG ‹. Bei der bin ich Geschäftsführer.«
    Wissen wir und die Polizei längst aus dem Handelsregister. War nur Einstiegsfrage, um ins Plaudern zu kommen.
    »Wie halten Sie Kontakt zur Mehrheitseignerin?«, will Bucher Manfred wissen.
    »Die ›Sumatra Biogastro AG ‹ ist eine selbstständige Gesellschaft«, sagt Joachim Scharpf, leicht pikiert.
    »Das ist nicht, was wir gefragt haben«, sagt der Müller und wiederholt: »Wie halten Sie Kontakt zur Mehrheitseignerin?«
    Wissen natürlich schon durch Hausdurchsuchung im Sumatra, dass dort im Bürotelefon und -fax eine Nummer auf Blue Rock Island gespeichert ist. Haben Protokolle von Faxen und Anrufen von der Sumatra-Büroelektronik aus. Trauen sicher nicht allein dem Blabla der Verhörten, wichtig ist immer der Faktenbeweis. Weil irgendeinen Geständnisquatsch kann der Polizei jeder auftischen. Hilft ohne Belege gar nichts. Das zerpflückt dir jeder Anwaltssubstitut im ersten Lehrjahr, und jeder Bezirksanwalt fällt in fünf Minuten um.
    Bucher: »Auffällig ist, dass Sie regelmässig jeden Donnerstagmorgen ein Dokument von einer Seite in die Karibik faxen. Übertragungszeit jeweils siebzehn bis neunzehn Sekunden. Was steht in diesen Faxen?«
    Aus diesem Buchersatz merkt Scharpf: Hoppla, die Polizei, sie ist informiert. Er verdreht zwar die Augen, kommt damit aber nicht weiter. Sagt schliesslich:
    »Dass eine Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft Rechenschaft schuldet, ist doch nichts Kriminelles!« Scharpf trotzt. Da merkt die Polizei: »Hm hm hm«. Und das Wort kriminell schon ausgesprochen worden.
    Der Müller: »Rechenschaft in welcher Hinsicht?«
    Scharpf: »Finanziell, natürlich.«
    Bucher Manfred: »Eine Finanzgesellschaft mit Sitz in der Karibik interessiert sich für die Wocheneinnahmen eines Popelrestaurants im Kreis 5 …« Und er lässt die drei Punkte hinterlistig in der Luft schweben.
    Scharpfs Reaktionsgeschwindigkeit ist jetzt, und das bei dieser Hitze, enorm: »Popelrestaurant?«, braust es heraus. Und Rechtsanwalt Dr.   Schärer hebt kritisch die Augenbrauen. Man merkt: Jetzt brodeln bald die Emotionen hoch. Dann macht er Fehler. Dann hast du ihn.
    Klar ist, aber das weiss Joachim Scharpf nicht, die Abteilung Wirtschaftskriminalität dreht gerade seine Buchhaltung durch den Wolf und observiert jedes Bit im Computer, ob es verdächtige Bewegungen gemacht hat. Ist ganz schön aufwendig und benötigt grosses wirtschaftskriminelles Fachwissen, ist nicht mein Metier. Und so kann ich auch gar nicht erzählen, wie Leo Baumgartner und Muamer Buljubasic, die Schwarzgeldjäger mit den Hackerhirnen, im Detail vorgehen. Wir müssen ihnen vertrauen, dass sie das Richtige tun, und wir wissen ja, dass die Polizei grundsätzlich das Richtige tut. Nicht immer, klar, aber die Fehler sind letztlich gut für den Erkenntnisgewinn. Denn: »Auch falsche Gedanken sind wahr.« (Diodoros).
    Aber diese Befragung ist wie vernagelt. Der Müller und Bucher Manfred finden keinen Hebel, um die Tür zu Scharpfs Schuldbewusstsein aufzuknacken.
    »Achtzehn Uhr fünfundzwanzig«, sagt schliesslich der Müller zum Mikrofon, »Ende der Vernehmung

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