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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Türsummer, zwei Stockwerke hoch, die Tür öffnet sich …
    ***
    … doch zuerst kommt jetzt eine «Rückblende». Das heisst: Wir schauen zurück, was vorher passiert ist, um aus der Vergangenheit Informationen heraus zu entnehmen, die uns in der Zukunft nützlich sein können, und Sie ahnen es: nützlich sein werden, denn sonst täten wir das natürlich nicht. Ich erzähle Ihnen nun also, was vorher geschehen ist, vor einigen Tagen. Genauer: In der letzten Woche am Donnerstag. Da ereignet sich folgende a priori unscheinbare Szene, die niemandem ins Auge sticht, pardon ist nicht wörtlich, sondern Bild:
    Da fuhr Rockmanager Hansueli-Johnny Maurer (34) mit dem unauffälligen dunkelblauen koreanischen Mittelklassewagen, den er sein Eigen nennt, im Feierabendverkehr über die österreichisch-schweizerische Grenze bei St. Margrethen westwärts, also heim in die Schweiz. Er vertraute darauf, dass ihn kein Zöllner anhalten würde, denn seit Beitritt Schweiz → Schengenabkommen walten meist mobile Kontrollpatrouillen im Hinterland. Aber die Grenze Österreich-Schweiz ist nicht so ein krimineller Hotspot, deshalb war Johnnys eigentlich leichtsinnige Vermutung richtig: keine Kontrolle. Schlecht und – weil billiger – doch gut für Steuerzahler, aber sehr schlecht fürs Urheberrechtsgesetz, sehr schlecht für die Künstler, sehr gut für Johnny.
    Denn: Im Kofferraum des unauffälligen koreanischen dunkelblauen Mittelklassewagens und auf dem Rücksitz schlummern nämlich Kisten mit CD s. Gepresst in Tschechien. Ohne Wissen der Künstler. Ohne Urheberrechtsabrechnung. Etwa neun Prozent des Handelsabgabepreises (Price Per Detail) fliessen sonst als Tantiemen an die Verwertungsgesellschaft «Suisa». Minus Verwaltungskostenanteil geht das dann an die Künstler. Wichtige Einnahmequelle. Das hat Rockmanager Johnny Maurer einfach eingespart. Macht bei einigen tausend CD s einige tausend Franken, die in der Tasche von Johnny Maurer stecken bleiben. Die Stückzahl ungefähr mit 1.3 oder 1.4 Franken multiplizieren, das ist etwa der «Suisa»-Betrag, dann hast du den Deliktbetrag. Ist nicht nett von Johnny-Hansueli, aber was willst du, er muss auch leben. Sagt er. Aber wenn seine Musiker das wüssten. Das wäre gar nicht schön. Das gäbe ein Riesentheater bis hin zu Handgreiflichem und Bier über den Kopf und sogar … aber wir wollen den Mord nicht leichtfertig heraufbeschwören, und gestorben und ermordet ist nicht Johnny, sondern Sandra Molinari, Sängerin und Songschreiberin mit Solo-Projekt «erfolgreich» → Internet. Und er fährt mit gut Rock ’n’ Roll im CD -Player über die Autobahn von Osten durch ganz Mostindien ins Züribiet hinein, nähert sich mit lautem Motor der heissen Stadt Zürich, die in konzentrischen Kreisen ums untere Seebecken die Hügel hinauf, über den Milchbuck ins Glatttal hinüber und das Limmattal hinunterwuchert, überquert bei Schwamendingen die Stadtgrenze zum Gelobten Land, taucht in den Milchbucktunnel, schlängelt sich mit seiner juristisch diskutablen Fracht ins Stadtzentrum hinunter, schleicht umständlich in der Melasse des Cityverkehrs um den Bahnhof herum, durch die Kasernenstrasse, am Tages-Anzeiger-Gebäude vorbei in die Zweierstrasse … nein, da ist er schon zu weit. Immer diese Probleme mit der sozialdemokratisch-grünen Verkehrsführung, diese Einbahnstrassen. Also rechts rein, ein bisschen rumkurven und plötzlich, rettend die Ankerstrasse. Und sogar ein freier Parkplatz nicht weit vom Keller entfernt, wo die Kisten reinkommen. «Da bin ich wieder zu Hause», sagt sich Johnny, «und alles ist gut gegangen, da bin ich froh.»
    Weil er braucht das Geld. Weil er hat doch diese Kinder mit Angelica: Jason-Lars (5) und Kylie-Shawn (8). Und das kostet, weil viel Geschirr kaputt, und das Privatleben ist ein Hürdenlauf voller Zerrungen und Schürfwunden. Da kommt niemand unversehrt heraus.
    Und nun ist es immer noch und wahrhaftig (bitte umblättern) …

Dienstag, etwas später als früh
    Erinnern Sie sich? Der Müller hat vom Plattenfirmen-Holderegger höchst wahrscheinlich eine Information zur Kenntnis erhalten und sich an die Bertastrasse soundso begeben. «Altbau, Name suchen, klingeln, Türsummer, zwei Stockwerke hoch, Tür öffnet sich», sagten wir. Und da steht der Müller jetzt.
    Aber halt! Nein. Pardon. Fehlstart. Wir haben vorhin bei Johnny und seiner CD -Fracht etwas vergessen. Entschuldigung, nochmals sorry, sorry. Deshalb zurückspulen. Zurückspulen. So, richtig:

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