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München - 2030

München - 2030

Titel: München - 2030 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Golfidis
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Übelkeit, Erbrechen sowie inneren Blutungen zu einem qualvollen, oft mehrere Stunden- teils auch Tage anhaltenden Todeskampf führte. Nicht selten sah man die Opfer dieser gewissenlosen Bestien im Straßengraben liegen, während sie zusammengekrümmt und unter unvorstellbaren Schmerzen, in stundenlanger Qual, den letzten Rest ihres Lebens aushauchten.
     
    Die unmenschlichen Lebensbedingungen der Alten, der harte Überlebenskampf und die Trostlosigkeit des Altwerdens, sowie das fehlen von jungen Menschen, hatte die Generation Sechzig plus in eine Hoffnungslosigkeit getrieben, die kein Ende nahm. Von Depressionen geplagt sahen viele nur einen Ausweg: Die Nirwana-Pille. Nirwana-Pillen erlebten einen nie dagewesenen Boom. Und der Preis einer einzigen Pille war in unvorstellbare Höhen geklettert.
    Der freie Handel mit Nirwana-Pillen stand unter Verbot. Sie durften nur von bestimmten Ärzten verschrieben- und unter deren Beisein in speziellen Kliniken verabreicht werden. Doch die Prohibition fachte den Schwarzmarkt erst richtig an, er blühte wie niemals zuvor. Und die Pillen-Händler verdienten sich in kürzester Zeit ein Vermögen.
     
    Jetzt war der Dealer direkt bei Victor angelangt.
                »Nirwana-Pillen – die besten die es gibt«, sagte der Alte mit dem Pelzmantel und sah Victor grinsend an.
    Victor war geplättet, eine solch niedere Verderbtheit hatte er bislang noch nirgends wahrgenommen.
                »Du siehst mir aus, wie jemand der sich so eine Pille leisten könnte«, schob der Alte hinterher und betrachtete Victor in seiner neuen Barbour-Steppjacke, der damit unter den abgerissenen Gestalten etwas fehl am Platz wirkte.
                »Nicht so wie die«, warf er einen verachtenden Blick in die Runde der Greise. »Sie glauben, das Paradies gäbe es umsonst und hängen an mir dran, schlimmer wie Blutegel. Sie leben in der Hoffnung einmal einen Gefallen für mich erledigen zu können, damit ich ihnen eine Pille gratis gebe. Doch ich bin nicht der Barmherzige. Leider!« Der Dealer im Pelzmantel rollte mit seinen Augen himmelwärts und für einen Augenblick wirkte er so andächtig, wie ein Priester der mit seinem Gott ein Zwiegespräch hielt. »Leider«, stöhnte er – dann wurde sein Blick wieder hart. »Das Leben ist teuer und alles kostet Geld«, sagte er. »Und ehrlich gesagt, würde ich diesem Pack da, nicht mal meinen Rollator anvertrauen.«
     
                »Ich habe auch die Original-Nirwana-Pillen von Haus Sonnenschein im Angebot«, sagte der Dealer und um ihn herum war es schlagartig still geworden. Einige der Greise waren mit verklärten Augen näher herangerückt und bei anderen hatten die Worte wie ein elektrischer Schlag gewirkt, der sie aus ihrer Trägheit gerissen hatte.
     
    Haus Sonnenschein war ein gut abgeschirmtes Luxus-Altenheim. Man konnte dort zu seinem Ableben einen fünftägigen Luxus-Final-Trip buchen, an dessen Höhepunkt man die Sonnenschein-Nirwana-Pille verabreicht bekam. Haus Sonnenschein warb damit, der Pille eine gehörige Menge MDMA beizumischen. Auch hieß es, dass die Auserwählten dann von wahren Sex-Bomben umgeben, solange gestreichelt und verlustiert wurden, bis sie das Zeitliche gesegnet hatten. Für Greisinnen boten sie ein ähnliches Programm – es hieß, dafür hätten sie sogar eigens die California-Dream-Boys unter Vertrag genommen.
     
                »Na, wie wär’s?«, fragte der Dealer und hielt Victor die geöffnete Hand entgegen, in der eine kleine himmelblaue Pille lag.
    Die Alten um ihn herum kamen in Aufregung, manche bekamen gierige Blicke, und bei einigen merkte man wie sie mit dem Gedanken rangen, die Pille gewaltsam an sich zu bringen.
    Victor geriet ins Grübeln.
                »Ja, das Leben ist bitter«, sagte der Alte und nickte sich selbst zustimmend mit dem Kopf, »was spricht dagegen, es ein bisschen abzukürzen? Warum nicht sein Ende selbst in die Hand nehmen?«
    Inzwischen bekam Victor mit, dass er dem Alten und dessen Gefolge ohne es bemerkt zu haben, hinterhergelaufen war – so sehr hatte ihn dieser in seinen Bann gezogen.
                »Na, was ist?«, drängte der Alte.
    Victor überlegte. Jetzt waren sie vor einer Toilette angelangt und der Alte begann unruhig auf den Beinen hin und her zu treten.
                »Ich müsste mal«, sagte er.
                »Willst du nun, oder nicht?«
                »Ich weiß nicht«,

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